Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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KÜKEN-STATUS
Motuara Island
Nester: 60
OK
Flügge
R.I.P
44
9
33
Stand: 04.11.2000
NEUIGKEITEN - 07. November 2000

Es nimmt einfach kein Ende. Das Projekt ist einfach vom Pech verfolgt. Es fing mit der verpatzten Ausrüstaktion in der Nacht zum 4.11. an. Und dann ging's weiter...

Früh am Sonntagmorgen (gegen 2 Uhr) stiefelten Stef und ich verschlafen durch den Busch von Motuara Island. Wir rüsteten zwei Pinguine mit Sendern aus, einer davon im entlegenen West Gully. Der nächtliche Marsch dorthin war ziemlich aufreibend, doch wir hatten Glück und der Vogel war bei den Küken auf dem Nest und bekam von uns einen Sender verpaßt. Das war's dann aber auch mit dem Glück. Wir hatten mit Tony vereinbart, daß er mich und Kirsten am Abend des Sonntags (5.11.) auf Motuara Island einsammelt, so daß wir ab montagfrüh wieder full time Pinguine tracken konnten. Beide Vögel waren zwar auch Sonntag schon auf See, doch anders ließ es sich mit Tony nicht organisieren. So nutzen wir die Gelegenheit meinen Vater auf dem Observation Tower schon mal den Ernstfall proben zu lassen - er peilte erstmalig auf echte Pinguine.

Als Tony gegen 17 Uhr noch nicht aufgetaucht war, begann ich mir Sorgen zu machen und nach einem Telefonat mit seier Freundin Pat, die er an diesem Wochenende in Pciton besuchte, war klar, daß aus dem Peilen am Montag nichts werden würde: Tony konnte uns erst am Montagmorgen abholen. Ich war sauer. Das bedeutete, daß wir auch am Montag keinen kompletten Pinguintrack kriegen würden, da wir nicht vor 10 Uhr an der Antenne auf Arapawa Island sein würden - damit wären schon 4 Stunden des Tages dahin.

Es half nichts. Am Montagmorgen machten Kirsten und ich uns früh morgens fertig, von Tony eingesammelt zu werden. Tony kam angetuckert und als erstes fiel mir auf, daß er ein Fenster auf Deck festgezurrt hatte. Mir schwante einiges. Wie sich herausstellte, würden wir vorher noch einen "kleinen Umweg" fahren und das Fenster zu einer anderen Bucht Arapawa Islands transportieren und abliefern. Weitere 2 Stunden unseres Pinguintracks schwanden von hinnen. Beim Ablegen rief ich Stef noch zu, daß wir also erst ab 12 Uhr Peilen würden.

Mittags um zwölf hechelte ich zur Antenne hinauf und brachte sie in Gang. Nur ein Pinguin war zu hören. Wo war der zweite? Wahrscheinlich außer Reichweite. Es herrschte ein frischer southerly, so daß es mit dem Peilen ganz gut ging, da uns die Berge im Rücken Deckung gaben. Als es dann gegen eins auch noch urplötzlich aufklarte und die Sonne hervorkam, wurde es fast gemütlich! Unter blauem Himmel saß ich hemdsärmelig im Gras und dachte mir, na also, man kann doch auch Glück haben.

Falsch gedacht. Zunächst fiel am gleichen Tag unser Receiver für gut eine Stunde aus, so daß unser Pinguintrack statt der 14 Stunden, die der Pinguin pro Tag ungefähr auf Nahrungssuche ist, auf 7 Stunden reduziert war. Als nächstes machte der Sender seltsame Geräusche: das Signal wurde schwächer, hatte einen tieferen Klang und die Intervalle der Beeps wurden länger. Ich dachte mir erstmal nichts dabei, denn wir konnten Peilen.

Und heute? Tscha, heute kam's dicke. Das gute Wetter gestern nachmittag war wohl nur da, um uns zu verhöhnen. Heute haben wir einen southerly Sturm. Doch das ist noch nichtmal das arg Schlimme, denn die Antenne auf Arapawa Island - unser, was das Wetter angeht, wunder Punkt - ist durch die Berge wie schon erwähnt geschützt (obwohl es auf Motuara Island in southerlies recht ungemütlich ist). Was uns den letzten Nerv raubt, ist daß es obwohl der Sommer eigentlich kommen soll, so kalt ist wie noch nie vorher. 12° Lufttemperatur, die durch den windchill erheblich reduziert wird. Mit anderen Worten: es ist arschkalt. Dazu der Nieselregen, der wie Nadeln ins Gesicht fetzt. Doch nicht nur das, nur ein Pinguin (Bark, der gleiche wie gestern) ist einzupeilen. Der zweite Pinguin (Lil) ist nicht zu hören. Das heißt entweder, daß Lil außer Reichweite oder der Sender hinüber ist. Und letzteres scheint wahrscheinlich zu sein, denn Barks Sender ist nicht in Ordnung weil wahrscheinlich Wasser eingedrungen ist; wir konnten ihn trotzdem den ganzen Tag durch tracken.

Doch zu welchem Preis? Das Peilen heute war eine Qual, weil wir das kälteste Wetter seit langem aushalten mußten. In dem Wind hält kein Regenschutz. Zum Glück konnte ich Kirstens Ein-Mann-Zelt in den schrägen Hang stellen, so daß wenigstens ein Unterschlupf vor dem eisigen Wind vorhanden war. Alle zehn Minuten kletterte man (ungern) daraus hervor, bloß um festzustellen, daß Bark sich kaum von dem Fleck bewegt hat. Das ist ziemlich frustrierend.

Und so hat wohl jeder von uns seine eigene Art mit dem Sturm und der Kälte fertig zu werden. Ich für meinen Teil ertappe mich oft, wie ich im Kreis um die Antenne springe und Flüche ausstoße, von denen ich gar nicht wußte, daß es sie gibt. Besonders elegant ist meine Art mit eisigen Windböen abzurechnen, die mich den Berg herunterwehen wollen: ich stemme mich ihnen entgegen und gröhle in der Regel etwas wie "BASTARD-STORM!!!". Und wenn ich dann auch noch dran denke, daß meine Helfer Stef, Kirsten und mein Dad aus freien Stücken hier sind und ich ihnen all dies abverlange... dann ziehe ich mich meist wieder unglücklich ins Zelt zurück und bete, daß es endlich wärmer wird.

 


Kirsten nach einer 4 Stunden-Sturm-Peil-Schicht


Kirsten an der Antenne und Motuara Island im Schietwetter


Blick aus dem Ein-Mann-Zelt - gerne klettert man in dieses Wetter nicht hinaus um eine Antenne zu drehen...