Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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KÜKEN-STATUS
Motuara Island
Nester: 67
OK
Flügge
R.I.P
17
34
46
Stand: 27.11.2000

NEUIGKEITEN - 29. November 2000

Das war's... für's erste jedenfalls. Unsere Arbeit auf Motuara Island ist abgeschlossen. Wir sind wieder am Festland. Aber natürlich lief die Abreise wieder einmal alles andere als reibungslos ab...

Gestern (Dienstag) waren wir allesamt von Tony auf seine Farm geholt worden, so daß wir die Antenne abbauen und zu Tale transportieren konnten. Am Abend sollte Kim Garrett mit der Kiore und einem Kollegen bei Tony eintreffen. Es war geplant, daß Kim ebenfalls bei Tony übernachtet, zwei von uns am nächsten Morgen nach Motuara Island hinüberbringt (letzte Nestchecks), zu Tony zurückkehrt, den Rest der Ausrüstung verlädt und ans Festland bringt, um schließlich für die beiden Nestchecker auf MI ein zurückzukehren.

Es kam aber anders. Da die Wettervorhersage einen southerly Sturm für den Mittwoch vorhersagte, entschloss sich Kim nicht bei Tony zu übernachten, sondern direkt mit der ersten Ladung unserer Ausrüstung zum Festland zurückzufahren. Das stellte uns vor ein Problem: wie sollten wir am nächsten Tag zur Insel hinüberkommen, um unsere Nester zu checken? Folgende Lösung wurde vereinbart: Ich und Hotte würden am Mittwoch mit dem Mailboot (welches in jedem Wetter fährt) nach Motuara Island fahren, dort ein weiteres Mal übernachten und dann nach dem Sturm (am Donnerstag) von Kim mit dem Rest der Ausrüstung abgeholt zu werden; Stef würde Mittwochmorgens mit Tony ans Festland fahren und Kim am Donnerstag auf dem Boot begleiten. Mit diesem Plan waren Stef, Hotte und ich zufrieden und genossen ein Abschiedsessen (Wildschwein, von Tony's Sohn John geschossen) an diesem Abend.

Heute morgen wehte kein Lüftchen. Kein Sturm in Sicht. Kim rief nach dem Frühstück bei Tony an und sagte, daß wir angesichts der Wetterlage doch wieder zu unserem ersten Plan zurückkehren könnten. Stef war aber bereits mit Tony ans Festland gefahren. Also kam Kim mit deinem Kollegen zu Tony hinausgebrettert und fuhr mit mir und Hotte nach Motuara Island. Wir machten uns sofort auf den Weg zu unseren Nestern, während Kim und Co. unsere Ausrüstung verluden und schließlich den ganze Krempel zum Festland transportierten. Kim gab uns drei Stunden Zeit, dann würde er wieder auf der Insel sein um uns beide abzuholen.

Was kompliziert und verwirrend klingt, haut meistens auch nicht hin. Und so kam es dann auch. Denn kaum war Kim fort, als der Wind zulegte und sich in den nächsten zwei Stunden zum angekündigten Sturm entwickelte. Hotte und ich waren gut zwei Stunden mit unseren Nestchecks beschäftigt.


Letztes Wiegen der Küken in HG09

Unsere Nestchecks waren zum Teil ziemlich frustrierend, denn von unseren verbliebenen Küken war nur ein einziges geflüggt, während die anderen komplett entwickelt und faul in den Nestern hockten und dösten. Damit gehen mir die genauen Flügg-Alter einer ganzen Reihe von Küken flöten, was mehr als ärgerlich ist. Es ist allerdings auch sehr erstaunlich, daß viele unserer Küken 70 Tage und älter sind, bevor sie flüggen - normal wären 50 bis 55 Tage.


Noch nicht gemausert aber schon 50 Tage alt - die Küken in TG07

Nach 2 Stunden trafen Hotte und ich uns an der Hütte wieder. Die letzten Nestchecks waren erledigt. Während wir die Hütte säuberten und den Rest Ausrüstung zum Steg hinunter schleppten beäugte ich nervös das Wetter. Der Sturm hatte jetzt voll eingesetzt: ziemliche Brecher rollten aus Süden heran, Gischt erfüllte die Luft und Windhosen fegten über das Wasser. In diesem Wetter würde Kim niemals mit der Kiore - einem offenen Aluminiumboot hierhin gelangen. Dummerweise waren auch unseren letzten Nahrungsmittel und unsere Rucksäcke (inkl. Schlafsäcke) mit der ersten Ladung heute Morgen ans Festland transportiert worden. Das gleiche traf für mein Handy zu, so daß ich noch nichteinmal Kim Anrufen konnte um zu fragen, was jetzt passiert. Die Zeit lief weiter. nach 3 1/2 Stunden war uns klar, daß Kim in diesem Wetter nicht zur Insel kommen würde. Ohne Schlafsäcke und Nahrung konnten wir aber auch nicht hier bleiben. Die letzte Chance war das Mailboot, daß bald an Motuara Island vorbeikommen würde. Ich griff mir das Funkgerät und funkte das DOC in Picton an. Nachdem ich unsere Lage geschildert hatte, organisierte Bill Cash das notwendige und um halb vier, legte Ken mit dem Mailboot am Jetty von Motuara Island an.

Trotz gehöriger Wellen gelang es uns den restlichen Krempel auf das Mailboot zu verladen und schließlich hüpften wir selber an Bord. Das Mailboot fuhr zunächst zu Ship Cove hinüber, so daß uns die Wellen in der vollen Breitseite trafen. Es war die reinste Achterbahnfahrt. spätestens jetzt war ich mir sicher, daß Kim uns und die Ausrüstung niemals sicher ans Festland hätte bringen können. Es war mir absolut klar, daß Kim erst gar nicht noch einmal versuchen würde nach Motuara Island hinauszukommen.

Nun, er tat es entgegen aller Annahmen doch und hatte Stef als Begleiterin dabei. In einem Höllenritt waren die beiden vor dem Sturm her zu Insel hinaus gebrettert. Als sie die Insel erreichten fanden sie die Hütte leer und verlassen. Unverrichteter Dinge mußten beide wieder zum Festland zurückkehren - gegen den Sturm durch miserable Verhältnisse. Klar, daß beide nicht gerade frohgemutes auf diese sinnlose Bootsfahrt zu sprechen sein würden. Hotte und ich hockten im Mailboot und irgendwann bemerkten wir ein winziges Boot, daß von Welle zu Welle flog, sich mühselig den Weg zum Festland bahnte und ziemlich ungemütlich zu fahren sein mußte. Es war die Kiore mit Kim und Stef.

Ken funkte die Kiore an und reichte mir das Mikrofon. Die Verbindung war ziemlich schlecht, doch ich konnte genau hören, daß Kim not amused war. Und ebenso konnte ich mir denken, daß Stef stocksauer sein würde. Doch was hätte ich machen sollen? Hätten wir unsere letzte Chance (das Mailboot) nicht genutzt, hätte Kim sich vielleicht anders entschieden und wäre nicht zur Insel hinausgekommen; dann hätte wir ohne Nahrung und Decken übernachten dürfen...

In dem ganze Streß ging der Abschied von Motuara Island unter. Ich blickte nicht wehmütig über die Schulter, dachte nicht im Stillen nochmal an unsere Pinguine sondern machte mir Sorgen um Kim und Stef. Als wir schließlich alle zusammen am Festland zusammen kamen, war die Stimmung im Team ziemlich im Keller: Kim und Stef waren sauer, weil sie umsonst nach Motuara Island gefahren waren, ich war sauer, weil Kim und Stef sauer, Hotte war sauer weil es wieder kalt war und er seine Rheintreue Kappe auf der Insel vergessen hatte.

Mittlerweile haben wir uns alle wieder beruhigt. Kim ist mit unserer Ausrüstung auf dem Weg nach Oamaru. Wir hocken in einem kleinen Bungalow, das wir für die nächste Nacht gemietet haben. Wir haben geduscht und die Waschmaschinen hier sind vollgestopft mit unseren stinkenden Klamotten. Morgen beginnt unsere Reise nach Süden. Denn in Oamaru geht's weiter...