Nachdem wir in der letzten Woche mehrere nächtliche
Ausflüge zu Nest WG07 im West Gully unternommen haben,
um Lil von ihrem Sender zu befreien - allesamt erfolglos
-, änderten wir gestern unsere Taktik. Stef und ich legten
uns bei Einbruch der Nacht auf die Lauer um Lil abzupassen,
wenn sie vom Wasser zum Nest hinaufklettert um ihr Küken
zu füttern.
Es war noch nicht richtig dunkel, als wir uns
etwas unterhalb des Nests in den Hang hockten. Über uns
rauschte der starker Westwind in den struppigen Manukas (Teebäume)
und die ersten Wetas begannen in der dichter werdenden Dunkelheit
zu zirpen. Stef und ich warteten. Ich war mit Hottes DigiCam
bewaffnet, die Nachtaufnahme-Funktion ermöglichte es
uns, ab und an die Gegend um das Nest abzusuchen, ohne eine
Taschenlampe anzuschalten. Als die Nacht sich über Motuara
Island senkte, begannen die fluttering shearwaters
(kleine Sturmtaucher) lauthals lachend - genauso hört
sich der Schrei dieser winzigen Seevögel an - über
dem Wald zu kreisen. Das shearwater Konzert wurde mitunter
so laut, daß ich befürchtete, daß wir Lil's
verräterische Schritte auf dem laubbedeckten Boden überhören.
Wir warteten. Die shearwaters entschieden sich letztlich
doch zu landen. Und wenn ich sage "landen", so meine
ich "einschlagen" im wörtlichen Sinne. Die
Sturmtaucher sind begnadete Segler und Flieger so lange sie
über dem Meer sind. Doch ihre Landungen auf ihren Brutinseln
gleichen eher einem Kamikaze-Sturzflug: Flügel anwinkeln,
Augen zu und KRACH-BAFF!
Und während wir dort vor WG07 in der Dunkelheit
hockten, krach-baffte es um uns herum, daß uns Angst
und Bange wurde. Doch wir hatten Glück, zwar gingen in
unmittelbarer Nähe von uns diese lebendigen Vogelbomben
zu Boden, doch uns trafen sie nicht. Wir warteten. Die shearwaters
beruhigten sich langsam und das Küken in WG07 begann
sich zu regen. Es fiepte leise vor sich hin. Hieß das,
daß es einen Alten herankommen hörte? Wir lauschten
gebannt in die Dunkelheit. Vereinzelt lachten noch shearwaters
über unseren Köpfen, um uns herum zirpten Wetas,
das Küken fiepte mal lauter mal leiser. Im Sucher der
DigiCam sah ich den Kopf des Kükens in monochromen grün-schwarz
aus dem Bau lugen. Von Lil war nichts zu sehen. Wir
warteten.
Mir schliefen die Beine ein. Stef schlief komplett
ein. Ich wagte mich kaum mich zu bewegen, zum einen weil jede
Bewegung auf dem trockenen Laub eklig laut war, zum anderen,
weil ich Stef nicht wecken wollte. Wir warteten/schliefen.
Plötzlich - oder sollte ich sagen "irgendwann"?
- raschelte es unter uns. Das Rascheln stoppte, dann setzte
es wieder ein und bewegte sich langsam an uns vorbei in Richtung
des Nests. Ich war mir sicher, daß gerade ein Pinguin
an uns vorbeimarschierte. Ich weckte Stef und schaltete die
Kamera ein. Mittlerweile hatte das Küken begonnen wild
zu piepen. Ich fand in dem monochromen Bild der Kamera das
Nest zuerst gar nicht. Als ich es schließlich im Sucher
hatte, sah ich den Hintern des Kükens aus dem Nest ragen.
Der Hintern zuckte vor und zurück - der Alte war im Nest
und fütterte das Junge! Ich war mit einem Mal hellwach!
Jetzt hatten wir sie! Jetzt hatten wir Lil! Plötzlich
stoplerte das Küken aus dem Nest und der Altvogel kam
zum Vorschein. Ich zoomte heran um mir den Pinguin genauer
zu untersuchen und hätte fast aufgejodelt: kein Sender
am Rücken! Es war nicht Lil, sondern ihr Partner!
Verflucht!
Der Altvogel entfernte sich wieder vom Nest un
verschwand aus meinem Blickfeld. Was sollten wir tun? Wir
warteten weiter. Endlos lauschten wir in die Stille. Nur Weta-Gezirpe
war zu hören. Kein Geraschel mehr. Irgendwann war unsere
Geduld am Ende. Abbruch und Rückzug: Lil hatte
uns wieder gefoppt. Wahrscheinlich war sie gar nicht auf der
Insel (obwohl Hotte sich relativ sicher war, daß er
sie vor dem West Gully eingepeilt hatte). Heute ist von Lil
wieder einmal nichts zu hören. Wir werden nachher noch
einmal nach ihr lauschen. Denn egal was kommt, wir geben nicht
auf, wir werden ihr den Sender wieder abjagen. Und wenn es
das letzte ist was wir tun...
Außerdem ist Kirsten heute von unserer
Insel schweren Herzens abgereist. Sie will noch Bekannte in
Nelson besuchen. Hier auf der Insel gibt es ja auch nichts
weiter zu tun, außer Nestchecks, die wir auch gut zu
dritt zu Wege bekommen.

Schweren Herzens in die Zivilisation -
Kirsten auf dem Mailboot zum Festland
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