Nach meinen Gesprächen mit dedm DoC in Picton
blieb mir ein langes Wochenende Zeit, um mich einen Monat nach dem Gillespie
Pass Circuit wieder in den Busch zu schlagen. Wo ich schon im Norden
der Südinsel war, dachte ich mir, liegt doch der Nelson Lakes National
Park gerade richtig. Der Park wird von den Nordausläufern der Südalpen
dominiert, ist also durchaus als alpines Territorium zu bezeichnen. Zwar
findet man keine 3000er mehr, aber Berge mit über 2000 Metern sind
immer noch zu hauf zu finden.
Ich hatte mir einen schönen
kleinen Zirkel ausgesucht, der wieder alle zu bieten hatte: einen Wald
dominierten Abschnitt am ersten und zweiten Tag, von St. Arnaud zur Speargrass
Hut und weiter zur Sabine Hut am Ufer des Lake Rotoroa. Danach dann zwei
alpine Tage, mit dem knalligen dritten Tag - dem Aufstieg auf den Mt.
Cedric und dann einer, im wahrsten Sinne des Wortes, Gratwanderung zur
Angelus Hut - einem Kniebetonten vierten Tag (Abstieg zur Lakehead Hut)
und einem sehr lenzigen fünften Tag zurück nach St. Arnaud (Karte).
Doch es kam anders...
Ich ging gegen Mittag vom Visitors Center in St. Arnaud
los, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte. Die erste Stunde führte
mich über die Schotterpiste zum Mt. Robert Carpark und war alles
andere als Scenic. Jedoch... ich überquerte die "Quelle"
des Buller Rivers. Irgendwie war das ein irrer Anblick: da ist einfach
ein riesiges Loch im Lake Rotoiti und es fließen pro Sekunde Unmengen
von Wasser ab und speisen einen Fluß. Kein Rinnsal, es ist sofort
ein breiter, stark strömender Fluß! Weiter ging's auf der Schotterpiste.
Nach gut einer Stunde war ich ehrlich gesagt ein wenig angeödet und
hockte mich auf einen Stein. Und urplötzlich sitzt ein South Island
Robin vor mir, beäugt mich interessiert, hoppelt näher an mich
ran und bleibt schließlich aufmerksam zehn Zentimeter von meinem
Fuß entfernt sitzen und mustert mich. Und ich dachte, ich würde
diese neugierigen Vögel erst auf Motuara zu sehen bekommen.
Nach anderthalb Stunden
erreichte ich endlich den Anfang des Speargrass Tracks. In der Zwischenzeit
hatte es sich am Himmel erheblich zusammen gezogen; es roch nach Regen.
Der Track tauchte sofort in dichten Beech und Rimu Mischwalt ein. Die
Geräuschkulisse war beeindruckend: hoch oben in den Wipfel glucksten
Bellbirds, brabbelten Tuis um die Wette, Schwärme von Silvereyes
fiepten von Baum zu Baum, Fantail stritten sich um ihre Reviergrenzen
mit Stimmen als reibe man einen feuchten Korken an der Weinflasche. Tomtits
fitschten über den Track, krallten sich an Baumstämmen und lugten
zu mir herüber.
Der Track war traumhaft
leicht, selten kamen mal verwurzelte Bereiche, wo man hinsehen mußte,
wo man hintritt. Die meiste Zeit bin ich in die Höhe blickend durch
den rauschenden Wald marschiert. Selbst kleinste Rinnsale waren mit Boardwalks
überbrückt.
Auf dem Speargrass Track zwischen St. Arnaud und der
Speargrass Hut
Trotzdem stieg der Track langsam an, doch man merkte es kaum.
Dann, nach nicht mal einer Stunde auf dem Track erreichte ich den rauschenden
Speargrass Creek. Diesem Flüßchen folgte der Track stromaufwärts
nun bis zur Speargrass Hut. Inzwischen hatte der Wind merklich aufgefrischt
und die Vogelgeräusche gingen zum Teil im Rauschen des Walddaches
unter.
Und dann fing es an zu
nieseln. Es fiel mir zuerst gar nicht auf und als ich es dann mit kriegte,
war es mir egal - mir war wegen des stetigen Anstiegs bislang nicht kalt
geworden. Ich ging weiter und wurde gelegentlich von fiependen Fantails
verfolgt, die Fliegen aufschnappten, die ich aufscheuchte.
Plötzlich machte es
seitlich von mir SCHLONK! Erschreckt fuhr ich zur Seite! Ein fetter Batzen
Schnee war auf den Boden gekracht. Erst jetzt fiel mir auf, daß
die Bäume über mir weiß mit Schnee beladen waren. Auf
dem Boden war davon nichts zu merken. Ab jetzt ging es erst richtig los
mit dem Schnee. Überall kamen Minilawinen aus dem Laubdach über
mir zu Boden geprasslet. Auf dem Track fanden sich mittlerweile glasig
geschmolzene Schneefelder, die unter meinen Schritten schmatzten.
Irgendwann wurde mir auf
einmal kalt. Jetzt fiel mir erst auf, daß meine Klamotten mittlerweile
klatschnaß waren: neben dem Nieselregen, hatten die permanenten
Schneebombardments ihren Teil dazu beigetragen, mich total durch zu feuchten.
Ich fing an mich auf die Hütte zu freuen. Etwa drei Stunden nachdem
ich auf den Speargrass Track gelangt war, erreichte ich die Lichtung mit
der Speargrass Hut. Alles war unter feuchtem Schnee begraben; auf dem
Dach der Hütte lag ein weißer Schneeteppich. Der sollte mich
noch zur Verzweiflung bringen.
Die Speargrass Hut
Die Hütte war klein, hatte sechs Betten, einen
kleine, blechbeschlagene Arbeitsplatte, zwei uralte Holzbänke und
einen Gußeisernen Holzofen, dessen Feuerklappe aus dem Scharnier
gebrochen war. Damit konnte ich leben. Was mich voel mehr annervte war,
daß es kein trockenes Holz in der Hütte gab. Und ich war naß
bis auf die Knochen! Mist! Ich stürmte in den Wald hinter der Hütte
und suchte Holz zusammen. Trocken konnte man das alles nicht nennen. Doch
irgendwie bekam ich das Feuer zu stande. Ich benutze die Kochplatten des
Ofens um das Holz zu trocknen - mit dem Erfolg, daß es nacht garendem
Holz müffelte und das verdunstende Wasser sich an den Wänden
niederschlug. Draußen fing es auch noch heftig an zu schneien. Trotzdem
wurde es langsam warm in der Hütte. Gegen neun Uhr war mein Holz
weg. Also packte ich mich ins Bett und schlief.
Dummerweise hatte die Wärme
in der Hütte dazu beigetragen, daß der Schnee auf dem Wellblechdach
der Speargrass Hut von unten zu tauen begann. Die ganze Nacht über
wurde ich immer wieder aus dem Schlaf gerissen, weil ein lautes, Gänsehaut
erzeugendes ZSCHIIIIITTTT!!! gefolgt von einem unheimlichen SCHLAPPPAMMM!!!
durch die Hütte schallte. Ich hätte mir wahrscheinlich besser
etwas anderes als Stephen King Kurzgeschichten als Hütten-Lektüre
mitnehmen sollen...
Am nächsten morgen hatte es aufgeklart. Obendrein
war es aber auch erheblich kälter geworden und Eisrosen waren auf
den Fenstern der Hütte aufgeblüht. Ich hatte kein Holz mehr
um den Ofen in Gang zu bringen, also beeilte ich mich mit dem Frühstück,
um schnell los zukommen. Meine Klamotten waren kaum getrocknet und es
war die wahre Freude in dei eisig-kalt-feuchten Sachen zu steigen.
Als ich schließlich
vor die Hütte trat konnte ich das Speargrass Tal hinaufsehen. Ich
überlegte, ob ich nicht einfach die Route durch dieses Tal hinauf
zur Angelus Hut, dem Höhepunkt des Trips, gehen sollte. Doch ich
sagte mit, daß das Wetter in den nächsten Tagen noch sehr viel
besser werden sollte, also, dachte ich mir, spare ich mir den alpinen
Teil doch für die richtig schönen Tage auf. Wie sich herausstellen
sollte, hatte ich meine einzige Chance nicht genutzt zur Angelus Hut zu
gelangen...
Am nächsten morgen klarte es auf - doch ich nutzte
meine Chance nicht...
Ich machte mich auf den Weg zur Sabine Hut, am Ufer
des Lake Rotoroa. Der Wald auf diesem Teilstück meines Zirkels war
der absolute Hobbit Forest: rauschender Wald, erfüllt von Vogelstimmen,
weite, saftige Mooseteppiche auf dem Waldboden, flatternde hellgrüne
Flechten, die von dürren Ästen hingen. So habe ich mir immer
Mittelerde aus dem "Herrn der Ringe" vor gestellt. Kein Wunder
für mich, daß zur Zeit die Trilogie hier in Neuseeland als
200 Millionen US$-Projekt gefilmt wird.
Hobbit Forest zwischen der Speargrass Hut und Lake
Rotoroa
Irgendwann hörte ich Keas über mir rufen. Doch
das dichte Walddach verhinderte einen Blick auf die lärmenden Papageien.
Dafür beobachtete ich manchmal kleine Gruppen von Yellow-capped Parakeets,
schnatternden, grünen Sittichen, die zwischen den Bäumen umherfegten.
Der Track war größtenteils wieder derart leicht, daß
ich mich voll auf die Vögel über mir konzentrierten konnte.
Zum Teil war der Track über mehrere hundert Meter mit Boardwalks
ausgelegt. Was bei kleinen Bächen auf dem Gillespie Circuit lange
Schritte erfordert hätte, war hier mit noblen Holzstegen überbrückt.
Auch gab es keine Flußdurchquerung - statt dessen die altbekannten,
neuseeländischen Schwingbrücken.
Auf der Swingbridge
Schließlich fiel der Track steil ab und durch
Lichte Stellen im Wald konnte ich erste Blicke auf den Lake Rotoroa werfen.
Mittlerweile hatte sich der Himmel wieder zu gezogen und der Wind aufgefrischt.
Diesmal heilt sich der Regen aber zurück.
Dann erreichte ich das
Ufer des Sees. Noch ein halber Kilometer und ich würde die Sabine
Hut erreichen. Das Geräusch von Motorbooten hatte mich irgendwie
wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt: an der Hütte
war ein Steg und man konnte sich mit dem Wassertaxi bis zur Hütte
chauffieren lassen. Was wenn irgendwelche Wochenendler sich zur Hütte
haben bringen lassen und diese voll belegt wäre? Und was sind das
eigentlich für ekelige Häufchen hier auf dem Track; sieht ja
aus als ob hier alle paar Meter jemand sein Müsli ausgespuckt hat.
Plötzlich blieb ich
verdutzt stehen. Mitten auf dem Weg vor meinen Füßen, war eine
rostige Schnappfalle. Zwei metallene Bügel waren in die Waagerechten
gespannt, ein Blech zwischen den Bügeln löste bei Berührung
die Feder und ließ die Bügel zusammen schnappen. Der Anblick
dieses Trapperwerkzeugs ließ mich schaudern. Ich nahm einen Stock
und löste ie Falle aus. Wie ein kleines Monster schnappte die Falle
zusammen und sprang dabei in die Höhe. Der Stock war glatt durch
geschnitten. Die Falle war mit einer kurzen Kette, die an einer aus dem
Boden ragenden Wurzel festgenagelt war, verankert.
Die Sabine Hut war nicht
voll. Statt dessen traf ich auf Murray. Ein breitschultriger, knurriger
Kerl, mit rotem Rauchebart und zerschlissenen Klamotten. Eine Machete
lag auf seinem Schlafsack. Ein langes Bowiemesser steckte in einer massiven
Lederscheide an einem noch massiveren Gürtel, der auf dem Tisch in
der Hütte lag. Auf der Arbeitsplatte an der Spüle stand zwischen
allerlei Gerümpel eine Pfanne, die übervoll mit gebratenem Hackfleich
war.
"You're a hunter?",
fragte ich Murray, nachdem wir uns bekannt gemacht hatten.
"Possums", knurrte
er.
"I think I set off
one of your traps", gab ich zu.
"No worries. I'll
reset it later", brummte er.
Ui, das wird ein toller
Abend, mit diesem Knochenkopp, dachte ich. Doch plötzlich kamen wir
richtig ins Gespräch. Wie sich herausstellte, war Murray ein professioneller
Possum-Trapper, der die Beutelratten ihres Felles wegen jagt. Murray klärte
mich über die Possum-Jagd auf: Es gibt zwei Arten von Possums, die
Silver-Greys und die Browns. Beide wären gleichblöd, meinte
er. Man muß sie bloß mit einem Gemisch aus Mehl, Zucker und
Orangen-Aroma zu den Fallen locken und Peng! hat man das Viech - jetzt
wußte ich auch, was die vermeintliche Müsli-Esser-Kotze auf
dem Weg zur Hütte gewesen war. Wenn das Tier erst mal in der Falle
steckt, kann es nicht mehr weg. Dann kommt Murray und haut ihm mit der
stumpfen Seite der Machete den Schädel ein. Das Fell eines Possums
bringt etwa 3.50$. Murray hatte heute insgesamt 70 Fallen rund um das
Südende des Sees ausgelegt, wenn alle ein Possum brächten, wären
das 245$ in einer Nacht, bei der Hälfte blieben immerhin 120$. So
kann man in einer Woche zwischen 600 und 1000 Dollar machen...
Ich blickte mich um. Ich
sah nicht ein einziges Fell.
"Oh, no", sagte
Murray auf meine Frage hin, "I pluck them. Like hens, ya know?"
Er rupft die Possums also.
Schwer vorstellbar, daß man den Viechern statt das Fell über
die Ohren zu ziehen, die Haare ausreißt. Darauf entgegnete Murray,
das es nichtmal 40 Sekunden dauern würde, das Fell zu rupfen - die
Possums würden zwei Minuten nach dem Tod, ihre Haare loslassen. Genauso
drückte er sich aus. Das Klang für mich ziemlich irre. Doch
ich hatte am Abends gleich zweimal die Chance Murray bei seiner Arbeit
zu beobachten. Er hatte nämlich eine weitere Schnappfalle direkt
außerhalb der Hütte aufgestellt. Um acht Uhr Abend war Possum
Nr. 1 fällig. Es war ein fettes Tier, daß zwischen sechs und
sieben Uhr Murray schon zwei mal entkommen war - er hatte es durch das
Fenster gesehen und versucht es mit der Hütten Axt zu erlegen. Obwohl
es immer panisch vor Murray geflüchtet war, kam es jedesmal wieder,
bis es schließlich in der Falle landete.
Ich mümmelte gerade
an meinen Nudeln, als ich ein metallisches Knacken hörte. Im gleichen
Moment sprang Murray auf und rief "Gottcha!". Er griff sich
die Machete und trampelte aus der Hütte. Ich lief zum Fenster und
sah das Possum verwirrt Murrays Taschenlampe entgegen sehen. Die Augen
des Tieres leuchteten rot. Und ich dachte, man, dieses putzige Etwas kann
doch auch nichts dafür, daß es den Neuseeländischen Wald
auffrißt - ausgesucht hat es sich das nicht. Dann war Murray bei
dem Tier holte aus und knallte dem Possum die Machete auf die Rübe.
Wenig später kam Murray
mit seinem zum Hütteneingang und drückte mir seine Taschenlampe
in die Hand. Er breitete eine Mülltüte auf der Veranda aus und
hielt das tote Possum am Schwanz. Dann begann er es zu rupfen. Wobei Rupfen
der falsche Ausdruck ist - das klingt zu mühevoll. Wohin Murray auch
faßte, die Haare schienen seiner Hand entgegen zu springen. In einer
halben Minute war das Possum nackt und Fell im Wert von 3 Dollar fünzig
in dem Müllbeutel verschwunden. Das kläglich-nackte und leblose
Possum legte Murray auf einen Stein, er würde es morgen verbuddeln.
Um 10 Uhr, Murray schnarchte bereits, ging das zweite Possum in die Falle.
Obwohl ich mit Murray am
Ende prima ausgekommen war, hatte ich ein seltsames Gefühl gegenüber
dieser Art von Jagd. Gut, ich bin Europäer und kann diesen neuseeländischen
Haß auf die Possums nicht so richtig nachvollziehen, für mich
sind die Tiere auf ihre trottellige Art irgendwie niedlich. Aber das war
es nicht. Ich dachte an den Ast, der von der Falle glatt durch geschnitten
war und hatte die ganze Zeit das Bild des berühmten Kiwis aus Otorohanga
vor Augen, der mit einem Holzbein durch das Vogelhaus tappert...
Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich vom
Possum-Trapper und begann den steilen Anstieg auf dem Mt. Cedric Track.
Das Wetter war alles andere als prickelnd. es war bewölkt, was mir
nicht gefiel. Die Wolken waren zwar hoch, so daß man die Gipfel
der umliegenden Berge sehen konnte, aber das Grau war nicht gerade viel
versprechend für den alpinen Teil des Tracks.
Der Mt. Cedric Track war
steil. Er war sogar sehr steil. Geradezu unglaublich steil. Das erinnerte
mich fast an den Abstieg vom Gillespie Pass, mit dem unterschied, daß
ich hier durch dichten Rimu-Wald kletterte und der Boden rutschig und
von Wurzeln durchzogen war. Ich kam aber gut voran und schien erheblih
besser in Form zu sein, als vor einem Monat - meine Knie machten keine
Zicken. Trotzdem feilte ich in Gedanken an meinem Hüttenbucheintrag
für die Angelus Hut: "I wouldn't want to descent the Track between
Angelus and Sabine Huts: You need knees of steel or good crutches for
the rest of your tramp." Als der Wald niedriger wurde waren schlechte
Vorboten zu vernehmen: starke Böen zischten durch das Laubwerk der
Birken. Nach und nach fanden sich auch Schneefelder auf dem Waldboden.
Bis ich schließlich in einer Winterlandschaft wanderte. Feiner Schnee
rieselte auf mich herab: Schnee, der von den Baumwipfeln herunter geblasen
wird, versuchte ich mir einzureden.
Auf dem Weg zur Buschgrenze auf dem Mt. Cedric Track
Die
Buschgrenze kam plötzlich. Wie abgeschnitten war der Wald zu Ende
und vor mir erstreckte sich eine weiße ansteigende Ebene. Ich begann
den Aufstieg und schon wenige Meter nach dem ich aus dem Wald getreten
war, kamen mir arge Zweifel: es schneite, es stürmte und der Schnee
war knietief. Es ging steil bergauf und ich trat immer wieder in tiefe
Schneelöcher, so daß ich vornüber in den Schnee fiel.
Es war eine Qual. Ausserdem blies mir der Wind schnee die Wärme vom
Körper. Ich schnallte den Rucksack ab, zog mir meinen Lodenparka
an und kundschaftete die nöchsten zweihundert Meter ohne Rucksack
aus. Ich erklomm den nächsten Hügel und ah, daß der Weg
noch weitere 300 Meter steil anstieg, durch tiefen Schnee. Der Wind fetzte
die Flocken waagerecht über den Hang. Es half nix. Das konnte ich
knicken. Ich konnte wieder umkehren. Diesen steilen Weg wieder hinunter.
Ou weia.
Ums kurz zu machen - meine Knie überlebten auch den Abstieg. Vier
Stunden nach meinem Abschied von Murray, traf ich ihn in der Sabine Hut
wieder. Er packte ein. Statt dessen verbrachte ich die nächste Nacht
in der Hütte mit einem älteren Ehepaar - Dan und Helen - aus
Christchurch. Ich
hockte den Rest des Tages auf der Verande und spielte mit den Vögeln.
Rund um die Sabine Hut wimmelte es nur so von Sandflies. Und das ist ein
Festessen für die Fantails. Die Teufelsflieger schlugen ihre Kapriolen,
flatterten um mich herum, pickten mir die Sandflies von der schwarzen
Hose (eine Farbe, die die Blutsauger anzuziehen scheint). Einmal landete
sogar einer der Fantails auf meinem Kopf. Um das Bild abzurunden, kamen
zwei South Island Robins, die an mich heran kamen, mich musterten, als
ob ich irgendetwas für sie hätte. Hatte ich Tatsächlich,
denn im frisch gehckten Holz in der Hütte, hatte ich zwei Holzwürmer
gefunden. Die verfütterte ich an die beiden Robins - sie fraßen
mir tatsächlich (fast) aus der Hand. Ich bin echt gespannt was wir
für Erlebnisse mit diesen Federgesellen auf Motuara Island haben
werden.
Dan hatte Vodka dabei und
ich wagte es abends erstmalig seit Rußland '99 wieder das Teufelszeug
anzufassen. Mit dem Erfolg, daß ich mit einem bösen Hangover
am nächsten Tage wieder in Richtung Speargrass Hut aufbrach. Das
Wetter war zwar hervorragend wolkenlos, aber den tiefen Schnee oberhalb
der Buschgrenze würde die Sonne heute nicht wegschmelzen. Also konnte
ich nur über den Speargrass Track wieder zurück in die Zivilisation.
Auf dem Rückweg, eine halbe Stunde vor der Speargrass
Hut
Ich verbrachte meine letzte Nacht wieder in der Speargrass
Hut. Diesmal konnte ich aber Holzhacken, so daß ich abends einen
gut röhrenden Ofen in der Hütte hatte.
Der Morgen des letzten
Tages begrüßte mich mit einem traumhaften Sonnenaufgang, bei
dem die Sonne in einem anscheinend unglaublichen Tempo über dem Wald
hinaufkletterte. Doch als ich gegen zwölf wieder die Schotterpiste
nach St. Arnaud erreichte, war es bereits wieder bewölkt.
Aus perfektionistischer Sicht ist der Tramp ein wenig
in die Hose gegangen, weil ich fünf Tage lang auf den gleichen Trackabschnitten
herumgelqaufen bin. Aber was soll's - es war gut wieder draußen
im Busch zu sein.
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