Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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KÜKEN-STATUS
Motuara Island
Nester: 58
OK
Flügge
R.I.P
41
9
28
Stand: 02.11.2000
NEUIGKEITEN - 02. November 2000

Vorgestern präsentierten wir unserem neuen Helfer, meinem Vater, zum ersten Mal die Pinguine live und ungestört, als sie nach getaner Arbeit nach Einbruch der Dunkelheit über den Track zum Observation Tower hinauf zu ihren Nestern watschelten. Wir hatten uns mucksmäuschen Still auf eine der Stufen des Tracks gehockt und gewartet. Ein Pinguin nach dem anderen schlich im abgeschwächten Licht unserer Taschenlampe heran und vorbei. Einige putzten sich in aller Ruhe keine 2 Meter von uns entfernt oder trippelten mehr oder weniger zwischen uns hindurch zu ihren Küken.

Ein besonders interessante Neuerung hatte mein Vater im Gepäck: eine Digitale Videokamera mit Infrarot-Belichtungs-Option. So konnten wir die Pinguine in absoluter Dunkelheit filmen und beobachten, was uns vorher nicht vergönnt war. Die Aufnahmen sind grandios geworden (besonders, als sich ein Pinguin direkt vor die Füße von Stef und meinem Vater hockte und ich einen kurzen Schwenk auf die verzückt grienenden Gesichter der beiden machte). Diese Nachtfilm-Technik hätte uns in den letzten Wochen auch bei unserer Arbeit gute Dienste leisten können.

Am heutigen Tag "entdeckten" wir unweit des Shortcut-Tracks - von der Hütte hinauf zum Ridgetrack - eine Erdhöhle mit Kiwis (in Wirklichkeit war uns die Höhle schon bekannt, doch wir hatten noch nie gecheckt, ob auch Kiwis drin hocken). Am frühen Nachmittag erspähten wir einen großen braunen Kiwi-Hintern direkt hinter dem Eingang des Erdlochs, so daß wir entschieden, uns bei Einbruch der Nacht bei diesem Kiwi-Bau auf die Lauer zu legen. Es wurde ein voller Erfolg. Gegen halb acht kletterten wir durch den Busch zu dem Bau und hockten uns leise im Halbkreis um die Höhle, die unter einem vom Wetter und Holzwürmern zernagtem Nadelbaum-Stumpf versteckt liegt. Die Kiwis regten sich schon, denn wir hörten leise quäkende oder brummende Geräusche und hörten große Füße auf harten Untergrund trommeln.

Es war noch nicht Dunkel, als sich der erste Kiwi aus dem Bau traute. Er hob den langen Schnabel (der tatsächlich sehr kurz war, denn es handelte sich um einen der ein paar Wochen alten Kiwis, die vor ein paar Tagen vom Kiwi Recovery Programme ausgesetzt worden waren). Ich betrachtete das ganze zusätzlich durch die grandiose Videokamera und hatte ein deutliches grün-monochromes Bild des Vogels, dessen Augen im Infrarotlicht funkelten. Dann sprang der Vogel aus dem Bau, zögerte kurz und schoß davon ins Unterholz. Kurz darauf, kletterte ein weiteres Jungtier aus dem Bau. Wir saßen still und starrten gebannt auf den Kiwis, der sich gemächlich zu recken und strecken schien. Dann, plötzlich wetzte der Vogel los, drehte zwischen uns eine Runde und stürmte durch den Hintereingang in den Bau zurück.

Eine Weile tat sich nichts. Wir hörten nur das gurren des Kiwis im Bau. Dann, mit einem Mal, erschien ein riesenhafter Körper vor dem Bau: einer der älteren Kiwis, doppelt so groß wie die anderen beiden, richtete sich auf und stocherte mit seinem (diesmal aber wirklich) langen Schnabel im Boden vor der Höhle herum. Für einen Moment verharrte er in dieser Position und es bot sich uns das klassische Kiwi-Bild, wie es auf vielen Fotografien, Briefmarken und Geldmünzen zu sehen ist. Dann wetzte auch dieser Kiwi von dannen. War es das?

Nein, ein weiteres und danach noch ein weiteres Jungtier, sowie der Rundendreher, krabbelten aus dem Bau, so daß wir am Ende fünf Kiwis aus ein und dem selben Bau krabbeln sahen. So viele Kiwis in der Wildnis auf einmal zu sehen ist ziemlich ungewöhnlich. Ohne das Kiwi Recovery Programme, wäre es sogar unmöglich Kiwis hier auf Motuara Island zu beobachten. Denn sämtliche Kiwis sind auf der Insel ausgesetzt. Hier kann es gewährleistet werden, daß die Jungtiere eine bestimmte Körpergröße erreichen, die es ihnen erlaubt, Freßfeinden wie Madern und Wieseln zu widerstehen. Nach gut einem Jahr werden die Kiwis wieder eingefangen und in ihre Heimatregion, der Westküste der Südinsel, zurückgebracht.

Dank des Kiwi Recovery Programmes war es uns also möglich gemacht worden, diese seltsamen und faszinierenden nachtaktiven Vögel in der freien Wildbahn zu beobachten. Es war ein beeindruckendes Erlebnis...

Und wieder einmal gelang es uns geniale Nachtaufnahmen mit der Videokamera zu machen. Die bewegten Bilder gibt es als RealVideo HIER zu bestaunen...