Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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NEUIGKEITEN - 09. Oktober 2000

Seit Mittwoch sind Jana und Peter also wieder in der Zivilisation. Beide werden im Laufe der nächsten Woche nach Deutschland zurückfliegen. Doch unsere Arbeit hier ist noch lange nicht vorbei. Zunächst sind Stef und ich mit täglichen Nestchecks beschäftigt: welcher Pinguin sitzt auf den Eiern oder ist bei den Küken, wieviele Küken sind da (ist eines gestorben?), sind neue Küken geschlüpft?

Einen Tag nach Jana und Peters Abreise dann der erste Trauerfall: Simon & Simon, die Küken aus HG08, haben es beide nich geschaft. Simon 2 war vor gut fünf Tagen verhungert. Als wir am Donnerstag dann nach dem größeren Simon 1 sahen, schien er noch wohlauf zu sein, doch beim wiegen stellte sich heraus, daß er 150 Gramm an Gewicht verloren hatte - was bei einem 600 Gramm schweren Küken erheblich ist. Am selben Abend ging ich noch einmal zum Bau um zu sehen, ob einer der Alten zurückgekehrt war: Simon 1 war im Laufe des Tages auch gestorben. Gestern Abend sah ich durch Zufall beide Eltern zu ihrem Bau zurückkehren: drei Tage zu spät, um wenigstens Simon 1 durchzubringen.

Insgesamt gesehen, muß ich aber sagen, daß bislang wenige Küken verhungert sind (was ja die Hauptursache für den geringen Bruterfolg der Pinguine auf Motuara Island sein soll). Wir haben erst in zwei Fällen verhungerte Küken gefunden: HG08 und TG02. Das sind 2 aus 48 Nestern. Bisher die häufigste Todesursache ist das Wetter bzw. die Qualität der Bruthöhlen: entweder ertranken die Küken in den überfluteten Bauten oder erfroren, weil sie triefennass geregnet waren. Doch wie sagt Craig Barnett (der Biologe aus Canterbury, der hier auf der Insel zur Zeit Untersuchungen an South Island Robins durchführt) immer: "Don't count your chickens before they're hatched". Warten wir mal ab, wieviele unserer Küken am Ende flügge werden.

Wir haben bereits 6 Küken, die ihre Daunen verlieren. Unter dem grauen Flaum schimmern unglaublich blaue Federn hindurch. Die Vögel sind in der Regel zwischen 950 und 1400 Gramm schwer. 1.4 Kg ist natürlich ein Hammer, wenn man bedenkt, daß die ausgewachsenen Pinguine zwischen 900 und 1100 Gramm wiegen. Der Kawennsmann von einem Küken profitiert offensichtlich davon, ein Einzelkind zu sein. Wir haben ihn Cartman getauft ("I'm not fat! Im just big boned!").

Die täglichen Nestchecks gehen zum Teil an die Substanz, was unser Schuhwerk und unsere Knochen angeht. Der Boden ist zum Teil extrem aufgeweicht und manche unsere Gebiete (speziell das South Gully!) sind nur über steile Kletterpartien zu erreichen. Trotzdem haben wir bislang die täglichen Checks durchgezogen und einige interessante Fakten herausgefunden:

1. Sind Küken frisch geschlüpft, werden sie über Tags immer von einem der Eltern "betreut". Die Eltern wechseln sich dabei täglich ab, d.h. sitzt am Montag das Weibchen auf dem Nest, hockt Dienstags das Männchen drauf, Mittowchs wieder das Weibchen, Donnerstags wieder das Männchen und so weiter.

2. Sind die Küken größer (so zwischen 200 und 300 Gramm schwer und etwa 14 Tage alt), so kommt zunächst eine Phase, in der die Küken mal einen Tag lang allein gelassen werden.

3. Schließlich in der dritten Phase (500 - 600 Gramm, ca. 20 Tage alt), kommen die Eltern nur noch am Abend in das Nest um die Küken zu füttern und gehen am nächsten morgen wieder auf See - die Küken sind tagsüber meistens allein.


Die grauen Bündel in der Höhle sind zwei Küken (SG02, 17 bzw. 18 Tage alt)

Doch nicht alle Bauten haben Küken. Wir haben noch einige Nester, bei denen die Pinguine noch ihre Eier inkubieren. Ein besonders ausgefallenes Beispiel ist hier das Nest SG06 im South Gully. Hierbei handelt es sich weniger um einen Bau, als vielmehr ein Nest unter einer überhängenden Wurzel. Das Männchen dieses Brutpaares wurde von uns beringt und war von eher nervöser Gestalt: er ließ während seiner 12-tägigen Inkubtions-Schicht seiner Eier zweimal allein und war immer ziemlich aufgebracht, wenn wir an seinem Nest vorbei marschierten. Seine Partnerin - Helene - ist dagegen die Ruhe selbst: sie kann nichts erschüttern, selbst wenn wir sie näher untersuchen.


Helene auf ihrem Nest

Soweit zu einigen ersten Ergebnissen. Eine weitere gute Nachricht ist, daß wir ab nächster Woche Samstag wieder Verstärkung aus Deutschland erhalten: Kirsten kommt, nach Wochen der Funkstille doch. Damit sind wir spätestens ab Ende Oktober wieder zu viert, so daß wir nach Leibeskräften Peilen können.

Heute - Montag - sind wir ans Festland gefahren. Auf Motuara Island ist zur Zwit die Hölle los: 6 Mitarbeiter des DoC sind auf die Insel gekommen um unsere Kiwis einzufangen und an der Westküste der Südinsel auszusetzen (die Kiwis werden nur für ihre frühe Jugendphase nach Motuara Island gebracht, damit sie eine Körpergröße erreichen, um gegen Angriffe von Madern und Wieseln zu bestehen). Mit all den Leuten auf der Insel wird es ziemlich eng um die Hütte herum. Da wir noch einige Besorgungen machen müssen und - ganz wichtig - unsere mittlerweile zum Himmel stinkenden Kalmotten mal waschen müssen also der Entschluß den Pinguinen mal zwei Tage Schonzeit zu gönnen. Am Mittwoch geht's wieder raus auf die Insel und dann kommen die Fahrtenschreiber zum Einsatz.