Es wird uns nicht leicht gemacht. Um ehrlich
zu sein: da steckt doch System dahinter! Gerade einen Tag
lang konnten wir in windigen aber aushaltbaren Verhältnissen
Pinguin 484 aus Nest HG02 tracken, da ist es auch schon wieder
vorbei.
Nachdem wir ja am Donnerstag vier Pinguine
ausgerüstet hatten, ging am Freitag einer der Vögel
auf See. Wir konnten einen guten one-day-trip aufnehmen. Das
Wetter war bedeckt und windig. Aber der Wind machte es uns
nicht unmöglich zu arbeiten: die vereinzelten Böen,
die an unseren Antennen zerrten warteten wir ab und konnten
dann den Vogel einpeilen.
Stef und ich arbeiteten auf Arapawa Island.
Die Antennenposition ist einerseits perfekt geschützt
vor den strengen Southerlies (Südwinde), da sich
der steile Hang nach Nordwesten öffnet. Auf der anderen
Seite sollten bei einer solchen Konfiguration der Norwester
(Nordwestwind) ausbleiben oder nur schwach einfallen. Doch
leider war dies an diesem Wochenende nicht der Fall...
Während des Peilens regnete es immer
wieder, so daß Stef und ich die Regenplanen auf Peter's
ansehnliches Holzgerüst spannten. Der Wind zerrte zwar
an den Plastikbahnen, doch dank der Konstruktion hielten diese
dagegen. Als Stef am Abend nach abgeschlossenem Peilen die
Station abbaute, war es nach wie vor böig, doch die Antenne
und Regenschutz sahen in Ordnung aus. Wer konnte schon ahnen,
daß der Wind in der folgenden Nacht in einen brüllenden
Nordwest-Sturm ausartete. Es war bereits weit nach zehn Uhr,
als der Sturm so richtig loslegte: Regen prasselte wie Maschinengewehre
auf Tony's Farm nieder, gewaltige Windböen ließen
unsere Hütte in den Grundfesten wanken und ein ums andere
Mal fürchtete ich, unser Dach würde fortgerissen.
Am pechschwarzen Himmel fetzten phantomgraue Wolken nach Süden.
Ein endloses Heulen lag in der East Bay. Skeptisch blickte
ich durch unsere Verandatür und versuchte mir einzureden,
daß sich solche Böen nur hier unten aufgrund der
Kesseleigenschaft der Bucht bilden würden. Doch dran
glauben konte ich nicht. In dieser Nacht, jaulte der Sturm
über uns hinweg. Es war ohrenbetäubend. Stef und
ich taten kaum ein Auge zu. Ich hoffte nur, daß unsere
Antenne halten würde. Sie hatte ja schon einiges in Oamau
mitgemacht...
Als der Wecker um 5 Uhr klingelte und Stef
sich auf den Weg zu ihrer Schicht an der Antenne machen wollte,
hielt ich sie zurück. Der Norwester jaulte unvermindert
weiter und ich wollte nicht, daß sie in der Dunkelheit
auf die Berge hinaufklettert, wenn es derart stark bläst.
Sie telefonierte mit Peter, der auf Motuara Island im Gebrüll
des Windes Stellung an der Antenne bezogen hatte. "Peilen
erstmal abgeblasen, nächster Telefonkontakt 9 Uhr."
Kurz nach 8 Uhr machten Stef und ich uns
auf den Weg zur Antenne. Der Himmel war dunkelgrau. Immer
wieder prasselten Schauer mit feinem, alles durchdringenden
Nieselregen auf uns nieder. Viel schlimmer war jedoch der
Wind: auf den exponierten Stücken des Tracks der zum
Sattel hinaufführte, war es fast unmöglich zu laufen.
Die Böen wollten uns von den Beinen reißen; wir
krabbelten mitunter auf allen Vieren den Berg hinauf. Die
volle Kraft des Windes verspürten wir aber, als wir den
Sattel erreichten: hier wurde der Wind wie in einem Trichter
zu einem gewaltigen jetstream komprimiert. Wir konnten
kaum atmen, stemmten uns gegen den Wind und klammerten uns
am Zaun fest. Der Sturm hatte eine Stärke, die ich selten
erlebt hatte: es war ein bißchen so, als wenn man bei
120 Km/h den Kopf aus einem Auto strecken würde.
Als wir uns am Gatter auf dem Sattel festklammerten,
war mir klar, daß unsere Antenne dies nicht überlebt
haben konnte. Wir kämpften uns über den Track zu
unserer Antennenstation vor. Auf halben Wege klingelte das
Telefon. Ich nahm den Anruf an, konnte aber im schreienden
Sturm nichts verstehen und brüllte statt dessen in das
Mikrophon: "ICH MELDE MICH GLEICH. BRAUCHEN WINDGESCHÜTZTE
STELLE!!!"
Mir sträubte sich das Fell, als wir
auf die kleine Ebene kamen, von der aus der kurze Trampelpfad
zur Antenne führte. Ich wollte nicht zur Antenne blicken.
Ich tat es aber doch und schlug mir sogleich die Hände
vor's Gesicht. Oh nein!
Die Plastikplanen waren zerfetzt und flatterten
wie wild im Wind. Die Abspann-Seile schlugen peitschenartig
durch die Luft. Die Antenne hing schräg gegen den Hang,
die beiden Antennen-Elemente waren wie eine Windmühle
verdreht. Es fehlten etliche der Yagis (die senkrechten Elemente).
Die Kabel schlugen durch die Luft. Es sah dramatisch aus.
Wir kämpften uns zur Antenne vor. Die Plastikfetzen schlugen
uns ins Gesicht. Die Seile hatten sich um die Antenne verheddert
und bestanden nur noch aus dicken, unmöglichen Knoten,
aus denen die peitschenden Enden ragten. Wir mußten
die Antenne losbekommen. Ich stellte zu allem Übel fest,
daß ich mein Taschenmesser vergessen hatte. Wir konnten
die Seile also nicht kappen. Ich versuchte verzweifelt die
Plane zu zerreissen. Doch das hatte nur der Wind geschafft.
Ich zerrte wie wild an den Fetzen und plötzlich flog
mir ein Hering entgegen und traf mich am Arm. Stef schrie,
wir sollten die Antenne einfach umlegen und aus dem Chaos
herausziehen. So bekamen wir die Antenne tatsächlich
frei. Wir schleppten die zerschepperte Antenne auf die Südseite
des Berges, in den Windschatten. Ich mußte mich erst
einmal setzen.
"Das gibt's doch nicht! Warum denn
nur? Was kann denn noch alles schief gehen? Verflucht nochmal:
erst der Scheißsturm in Oamaru, dann die ganzen Pannen
mit dem Kabelzeugs und den Sendern, dann diese Pleiten mit
dem Boot und den Probepeilungen und als Krönung: DAS!!!"
Mir war echt zum Heulen zumute. Es half
nichts. Stef und ich suchten im Sturm die fehlenden Yagis
zusammen: nur zwei waren zerbrochen. Wie durch ein Wunder
fanden wir auch alle Schrauben wieder. Wir lösten die
zerfetzten Planen und stopften sie mitsamt dem Geknäuel
aus Seilen in die Büsche. Ich telefonierte mit Jana.
In meinem Wirrkopf vereinbarte ich zwei neue Termine für
Telefonkontakt: heute abend um sieben auf Tony's Leitung und
morgen um 15 Uhr auf dem Cellphone. Kurz nachdem ich das Handy
ausgeschaltet hatte, fragte ich mich: "Was hast du da
gesagt? Wie kommst du denn auf 15 Uhr?"
Nun, Tony's Telefonleitung war tot. Da
ich aber unbedingt einen Telefonkontakt mit Motuara Island
für den nächsten Vormittag vereinbaren wollte (denn
ich konnte die Antenne reparieren, weil ich in weiser Voraussicht
Ersatz-Yagis auf Arapawa deponiert hatte), blieb mir nichts
anderes übrig, als um 19.30 Uhr mit der Taschenlampe
durch den Sturm auf den Berg zu klettern - auf Tony's Farm
gibt es keinen Cellphone-Empfang...
Es war, als wollte mich der Berg mit allen
Mitteln loswerden. Die Böen waren stärker als am
Vormittag und die Dunkelheit machte meinen Aufstieg über
den aufgeweichten und glitschigen Track auch nicht weiter.
Und natürlich, als ich Empfang hatte, war nichts zu verstehen...
Alles umsonst!
Am nächsten morgen dröhnte der
Sturm zwar schwächer, aber immer noch zu stark aus Nordwesten.
Gegen 11 Uhr kündigte sich dann der Wetterumschwung an
- der Wind drehte nach Süden. Wir konnten die Antenne
wieder zusammenbauen und aufrichten. Oben konnte ich auch
Peter auf Motuara Island erreichen. Er und Jana waren sein
11 Uhr wieder am peilen: 484 war wieder auf dem Wasser. Ab
13.30 Uhr konnten wir auch wieder unsere Arbeit aufnehmen.
Heute hat der southerly voll eingeschlagen:
blauer Himmel und bis zum Ende meiner zweiten Schicht prallte
der Wind im Süden von den Bergen ab, so daß unsere
Antennenposition wenig davin mitbekommt. Auf der Cook Strait
bläst es jedoch gewaltig. Hoffentlich dreht das nicht
wieder auf Nordwesten...
In jedem Fall konnten wir heute bei Sonnenschein
484 auf einem weiteren Tagestrip verfolgen (bzw. Stef sitzt
im Moment noch oben und peilt noch). Und ich war sogar mal
wieder in der Laune Fotos zu machen:
"Frühschicht sucks" - morgens
halb sieben in Neuseeland
Herman - unser Maskottchen an der Arapawa
Antenne
Der "prodscheckt lieder" bei
seiner Mittagsschicht (12 - 15 Uhr)
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