Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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NEUIGKEITEN - 14. Dezember 2000

Das ist mal eine Neuigkeit - zum ersten Mal seit dieses Projekt angelaufen ist, konnten gestern alle mit Sendern ausgestatteten Pinguine getrackt werden. Natürlich lief dies auch nicht 100%ig reibungslos ab, denn zwei der Sender fingen am nachmittag an, seltsame Signale von sich zu geben: statt des regelmäßigen piep-piep-pieps, hörte sich Sender 415 wie ein Froschchor in der Abenddämmerung an, während man den Eindruck gewinnen konnte, daß Sender 495 krampfhaft versuchte mit seinen begrenzten Artikulationsmöglichkeiten Beethovens 5te neu zu interpretieren. Nichtsdestotrotz konnten wir die Tiere bis 21 Uhr - und damit zum geplanten Feierabend - einpeilen.

Das Peilen hier in Oamaru ist insgesamt erheblich schwieriger, da die Pinguine ein komplett anderes Tauchverhalten an den Tag legen, als wir es auf Motuara Island erlebt haben. Sind die Pengies in den Marlborough Sounds immer auf relativ tiefe Tauchgänge gegangen, von denen sie sich für 10 bis 20 Sekunden regelmäßig an der Oberfläche ausruhen mußten (was das Einpeilen leicht machte), so bewegen sich die Vögel in Oamaru vornehmlich in den oberen 3 Metern der Wassersäule und kommen regelmäßig, aber nur für zum Teil extrem kurze Zeiträume an die Oberfläche (wodurch die Sender-Signale nur kurz zu hören sind). Ein erster Blick auf die Daten, die wir bisher mit den TDRs gewonnen haben, bestätigt dies.

Na ja, jedenfalls klappt's endlich. Auch wenn unser Material nun definitiv Verschleißerscheinungen zeigt: die Vorverstärker fallen regelmäßig aus (Wackelkontakte), die Kompaßrosen sind immer schwerer abzulesen (verkratzt) und die Antennenmasten beginnen in ihren Teflonfüßen zu quietschen.


"Jetzt quietscht auch noch der Antennenmast!" -
Stef bei ihrer Mittagsschicht am Gun Emplacement

Wir arbeiten zu dritt (Hotte, Stef und ich) an zwei Antennen. Das habe ich ja schon ein paar Mal erzählt; aber wie schräg unsere Schichteneinteilung ist, sollte ich vielleicht mal erwähnen. Unser Tag beginnt morgens um 4.45 Uhr: zu dritt fahren wir mit dem Auto zur Pinguinkolonie herunter. Hier steigt einer (AO1) von uns aus und bezieht Stellung an der Antenne am Gunemplacement, das über einen kurzen Track oberhalb der Kolonie zu erreichen ist. Die beiden anderen machen sich auf die 15-minütige Fahrt zum Dead Shark Beach (DSB), einem abgelegenen Flecken Steilküste, wo unsere zweite Antennenstation steht. Hier hüpft der zweite Antennenoperator aus, während der dritte wieder nach Hause fährt, sich nochmal hinlegt (Stef) oder frühstückt (Hotte oder ich). Das Peilen beginnt um 5.30 Uhr.

Die Schichten sind 3 Stunden pro Person. Das heißt, um 7 Uhr wird Antennen Operator 2 (AO2) am Dead Shark Beach vom Schläfer/Frühstücker abgelöst und fährt nach Hause, um nun ebenfalls zu frühstücken. Anderthalb Stunden später muß er AO1 am Gun Emplacement ablösen, so daß sich AO1 zwischen 8.30 und 10.00 Uhr ein Müsli oder Brot reindampfen kann. Danach fährt er zum DSB hinaus um seine nächste Schicht anzugehen.

Klingt kompliziert, klappt aber ganz gut. Das blöde ist nur, daß wir auf diese Art und Weise pro Peiltag gut 200 Km verbraten. Alles im Dienste der Wissenschaft. Ich, als Project Leader, wie mir immer wieder unter die Nase gehalten wird, habe dabei noch den schwarzen Peter der Nestchecks, so daß mir täglich eine 1 1/2 Stunden-Pause flöten geht. Wir überprüfen täglich 87 Nester. 87 Nester zu checken, würde auf Motuara Island gut und gerne 6 Stunden in Anspruch nehmen. Hier in Oamaru ist das alles ein wenig anders.

Wir haben zwei Hauptuntersuchungsgebiete: Quarry und Creek. Am Quarry (ein ehemaliger Steinbruch) befindet sich die "Oamaru Blue Penguin Colony", die für Touristen geöffnet ist - und über die vor einigen Monaten im Magazin Brigitte von Elke Heidenreich ("Richard und dat Mädel") ein grandioser Unsinn verzapft worden ist:die armen Pinguine werden von Flutlichtscheinwerfern verfolgt, sind total verstört und oh so arm dran; und direkt nebendran ein Bild von der Autorin, die einem der scheusten Pinguine überhaupt, einem Gelbaugenpinguin, in einer Düne hinterherspringt und zu Tode ängstigt. Die Kolonie am Creek ist gut 1 Kilometer weiter nördlich und nicht für Besucher geöffnet.


Oamaru Blue Penguin Colony (Quarry)


Die Nestboxen am Creek

Alle Pinguine nisten in Nestboxen und sind mit Flipperringen markiert. Die Nestboxen sind alle auf einem kleinen Raum verteilt, so daß man mit ein paar Schritten von Nest zu Nest gelangt. Obendrein sind die Pinguine wenn's ums Brüten geht so erfolgreich, daß man nicht lange nach Küken oder Eiern suchen muß. Und so kommt es daß wir 87 Nester täglich checken (und das sind bei weitem nicht alle!). Die Nestchecks sind dementsprechend einfach und locker in 1 Stunde abgehakt: Deckel auf, Flipperband ablesen, Küken zählen, Deckel zu.


Nest D12 am Quarry:
Deckel auf - aha, 2 Küken, bald flügge - Deckel zu


2 Meter weiter, Nest D13:
Deckel auf - oho, Mrs. 22807 (mit Küken) in Angriffslaune - schnell Deckel zu

Ein weiterer Unterschied zu Motuara Island, ist die Aggressivität der Pinguine hier in Oamaru. Wenn man den Deckel aufmacht, springt einem nicht selten ein angenervter Vogel entgegen. Zumindest wird grimmig geknurrt und die Brust aufgeblasen. Nicht selten stürmt auch mal ein erwachsenes Tier durch den Eingang der Nestbox und versucht einen Fuß des Nestcheckers zu erwischen.