So etwas! Da steht man Nachts um eins auf, klettert
verpennt und grummelig in die stinkenden Klamottten, klettert
mit jagendem Puls durch den Busch, schleicht sich behende
an ein Nest an - bloß um kräftig veräppelt
zu werden.
Lil, unser Pinguinweibchen aus dem West
Gully, hat es verstanden uns gehörig an der Nase herumzuführen.
Wir wollten letzte Nacht unseren Sender von ihr entfernen,
nachdem sie diesen Zusatzpack fast 2 Wochen mit sich herumgeschleppt
hat. Anscheinend gefällt ihr der Sender-Rucksack, denn
wir konnten sie nicht fangen.
Es war kurz nach 1 Uhr Nachts, als Hotte und
ich auf den Observation Tower kletterten und die Peilanlage
in Gang brachten. Wir wollten uns erst versichern, daß
Lil auch wirklich an Land gekommen war, bevor wir uns
auf den langen, nassen Weg über den Ridge-Track zum West
Gullly machten. Und wie erwartet, hörten wir ein konstantes
Piepen aus der Richtung des West Gullys. Also machten wir
und auf den Weg zu WG07, Lil's Nest.
Wenn ich oben von einem "langen, nassen
Weg" spreche, so will ich damit nicht sagen, daß
es regnete. Nein, viel schlimmer. Motuara Island ist von einem
jungen Wald (ca. 80 Jahre alt - vorher war die Insel Weideland:
200 Schafe stromerten zwischen Baumstümpfen umher) bedeckt.
Dieser junge Wald ist erstens ziemlich dicht und zweitens
ziemlich niedrig. Das heißt, man läuft meist mitten
durch das Blattwerk hindurch. Und dieses war nach dem Regen
des letzten Tages pladdernaß. Natürlich kommt einem
der Weg in der Dunkelheit länger vor als er tatsächlich
ist und das durchnässende Buschgetrampel schwächt
diese Empfindung nicht unbedingt ab. Ich war nur heilfroh,
daß Hotte die Führung übernahm, so daß
er die Hauptnässe schon von den Blättern fegte.
Nach
einem endlosen Marsch, bei dem uns ein junger Kiwi vor die
Füße sprang (von dem Hotte, unlesebebrillt, zunächst
annahm, daß es sich um eine Ratte handelte) und ein
Pinguin fast unter den Stiefel des Kanutrainers geriet, bogen
wir schließlich nach Westen ins West Gully ab. Wir bahnten
uns mühselig einen Weg entlang des spärlich markierten
Trampelpfades nach unten, bis wir endlich in der Nähe
von WG07, Lil's Nest, ankamen. Ich schlich voraus,
Hotte sollte warten, bis ich ihm ein Zeichen gab, wenn ich
den Pinguin gefangen hatte.
So leise wie möglich näherte ich mich
von unten dem Nest. Vorsichtig leuchtete ich zum Nest hinauf;
falls der Vogel davor hockte und zu flüchten gedachte,
würde er mir in die Arme laufen. Doch dort saß
kein blauer Pinguin. Ha, dachte ich, sie sitzt im
Nest, super! Ich kletterte zum Nest hinauf und versuchte
einen Blick von Lil und dem Küken zu erhaschen,
doch WG07 ist nicht einzusehen, so daß man stets fühlen
muß. Ich kramte meinen Lederhandschuh hervor und langte
in die Höhle. Sofort begann ein Pinguin an meinen Fingern
zu nibbeln - und das machte mich stutzig. Wäre Lil
zu Hause, würde man schwer von "nibbeln" sprechen
können, denn die ausgewachsenen Pinguine haben einen
ziemlich gemeinen Biß am Leibe. Ich zog die Hand zurück
und entledigte mich des Handschuhs und dreißig Sekunden
später war klar, dort war nur das Küken, daß
an meinen Fingern kaute: Lil war nicht im Nest! Mist!!!
Plötzlich hörte ich etwas unterhalb
von mir ein Rascheln. Schnell löschte ich meine Stirnlampe
und kletterte auf die Steine oberhalb des Nestes. Ich machte
keinen Mucks und lauschte. Stille zunächst, dann wieder
ein Rascheln, das näher kam. Dort kletterte eindeutig
ein Pinguin zu WG07 hinauf. War das Lil? Ich wagte
nicht meine Lampe anzuschalten, das hätte sie vielleicht
verjagt. Deswegen rührte ich mich nicht und lauschte
weiter ins Stockdunkel. Das Rascheln war jetzt unmittelbar
vor dem Nest. Ich hörte ein leises Schneuzen, ein Geräusch,
das die Pinguine von sich geben, wenn sie ihre Nasenlöcher
vom Sekret ihrer Salzdrüsen freiblasen. Ich wartete.
Ich hörte ein kratzendes und schabendes Geräusch
- der Pinguin kletterte ins Nest und damit in die Falle. Ich
grinste, jetzt hatten wir sie. Aus dem Nest war sofort begeistertes
Gefiepe des Kükens zu hören und kurz meldete sich
auch der adulte Pinguin mit einem Grunzen. Ich wartete weiter,
sollte Lil doch erst ihr Küken füttern. Das
Küken fiepte lauter und lauter und ich bekam das Gefühl,
daß der kleine Stinker (genau das ist die richtige Bezeichnung
für Pinguinküken!) aus dem Bau herauskam. Vorsichtig
schaltete ich meine Lampe an. Vor dem Bau war nichts zu sehen.
Ich kletterte vom Stein und zog meinen Handschuh an. An die
Arbeit.
Behende griff ich in den Bau. Das Küken
nibbelte sofort wieder an meinem Finger herum. Ich tastete
weiter und... stieß gegen die hintere Wand des Baus.
Lil war nicht drin! Ungläubig versuchte ich in den
Bau zu lugen, doch es war nichts zu sehen. Ich versuchte es
nochmal unbehandschuht, doch es half nichts: außer dem
Küken, war niemand in dem Nest. Fluchend begann ich die
Felsen um das Nest herum abzusuchen. Mittlerweile kam Hotte
herangekracht. Von dem Pinguin - den ich eindeutig gehört
hatte! - war keine Spur zu finden. Ich war doch nicht verrückt!
Wir suchten die nähere Umgebung des Baus ab. Nichts.
Wir lauschten auf das Rascheln eines flüchtenden Pinguins.
Nichts. Wir suchten weiter und fanden... NICHTS! Es war schon
fast gespenstisch: da war ein Pinguin gekommen und dann -
Puff! - wie vom Erdboden verschluckt. Was hätte ich in
diesem Moment für ein Nachtsichtgerät gegeben.
Wir warteten dann noch eine gute Viertelstunde
in der Dunkelheit, doch es war nichts zu hören, außer
dem hohen Gelache der fluttering shearwaters (Kleine
Sturmtaucher), die vor der Insel kreisten. Lil hatte
uns ausgetrickst. Uns blieb nichts anderes übrig, als
unverichteter Dinge wieder den Heimweg anzutreten. Ich war
ziemlich frustriert und zweifelte an meiner eigenen Wahrnehmung:
dieses Verschwinden des klar vernommenen Pinguins war gespenstisch.
Damit haben wir den Sender also doch nicht wider
bekommen. Die ganze Aktion war also ein weiterer Schlag ins
Wasser. Oder, um es mit Hottes Worten auszudrücken: "Außer
Spesen, nix gewesen."
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