Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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NEUIGKEITEN - 21. Januar 2001

Ein grauenhafter Ablick.

Dave hatte heute morgen nach einem Anruf drei - anscheinend von einem Hund - getötete Pinguine in der Nähe des Creeks aufgesammelt und zur späteren Untersuchung ins DOC Office gebracht. Drei getötete Pinguin in einer Nacht sind ziemlich krass. Doch, wie Dave mir erzählte, es kommt hin und wieder vor. Das ist der Preis, den die Pinguine zahlen müssen, so nah an (bzw. in) einer Stadt zu leben, um die nahrungsreichen Gewässer um Oamaru ausnutzen zu können.

Nachdem ich meine letzten Nestchecks am Quarry durchgeführt hatte, fuhr ich zur Kolonie am Creek hinüber, wo sich ja der Großteil unserer überwachten Nestboxen befindet. Ich fing ganz normal bei den Nestboxen 102 und 103 an, aus denen die Küken vor einigen Tagen schon geflüggt waren. Wie erwartet waren die Nestboxen leer. Als ich mich auf den Weg zur Nestbox 104 machte, entdeckte ich einen toten Pinguin innerhalb des abgezäunten Gebietes der Kolonie am Creek.


Der tote Pinguin innerhalb des abgezäunten Gebietes

Ich sah mir das traurige Tier näher an und entdeckte getrocknetes Blut an Hals und Bauch und ausgferanseltes Gefieder am Nacken. Das Gefieder am Rücken war klebrig - getrockneter Speichel. Der Hund war also auch innerhalb des Zaunes, in der Kolonie. Mir wurde ein bisschen flau. Doch meine schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen. Zuerst fand ich die Leiche des Kükens aus Nestbox 113. Ganz in der Nähe lag ein weiteres fast komplett blaues Küken, das wohl unbemerkt unter einem Steinhaufen aufgewachsen ist - es war nicht beringt. Das waren drei tote Pinguine in einem Umkreis von 15 Metern.

Ich kletterte über den kleinen Hügel zu den Nestboxen 114 und aufwärts und mir stockte der Atem. Überall lagen getötete Pinguine. Es war ein furchtbarer Anblick. Die Küken aus Nestbox 116 - sie wären in den nächsten zehn Tagen geflüggt - lagen nah beieinander, zusammen mit der Mutter. Alle drei von einem Hund getötet. Getrocknetes Blut am Schnabel, die hellen Augen starrten glasig in den Himmel.


Die Küken aus Nestbox 116 - sie wurden 48 und 45 Tage alt

Ich ließ alles stehen und liegen, fuhr zurück zu Daves Haus und brachte ihm die schlechten Nachrichten. Zusammen fuhren wir wieder zum Creek hinunter. Dave rief Sally Rae, die Reporterin von der Otago Daily Times an, dann sahen wir uns in der Kolonie um. Dave war kreidebleich, als er sich die Szene ansah; ich denke, ich sah nicht anders aus. Überall tote Pinguine, viele der Tiere waren mir von meinen Nestchecks bekannt. Einige hatten mich gestern noch angeknurrt oder nach meiner Hand geschnappt. Jetzt lagen sie mit gebrochenem Genick und blutigem Gefieder zwischen den Nestboxen.

Unter den Toten fand ich auch Mozart. Vor ein paar Tagen ließ sich der junge Pinguin von mir fotografieren und kackte Stef zur allgemeinen Belustigung zum Abschied noch auf die Hose. Eigentlich hoffte ich, daß er noch während meiner Zeit hier in Oamaru zum ersten mal auf See gehen würde. Daraus wird nichts...

Wir sammelten die toten Pinguine ein, als die Reporterin eintraf. Sie wollte ein Foto machen, daß das ganze Ausmaß der Tragödie beschrieb. Wir sammelten die Pinguine in der unmittelbaren Umgebung ein und legten sie zusammen in einer Gruppe zusammen. Für das Pressefoto hockte sich Dave in dieses traurige Bild.


Ein betroffener Dave mit etwa 20 Pinguinen,
Küken und Adulte, getötet in der letzten Nacht

Das ganze Ausmaß der Katastrophe übertraf, wie schon gesagt, meine schlimmsten Befürchtungen. Zusammen mit Dennis Dove, dem Manager der Pinguin Kolonie am Quarry und Tony Hocken, suchten wir den Strand und die Kolonie ab. Wir fanden insgesamt 56 getötete Pinguine. Der Leichenberg wurde größer und größer.


Wir fanden mehr und mehr getötete Pinguine

Hunde. Der beste Freund des Menschen. Heute würde ich am liebsten jeden Hund in Neuseeland über den Haufen schießen. Und ich würde ebenso gerne den Besitzern dieser streunenden Hund den Hals umdrehen. Es ist einfach unglaublich. 56 Vögel! Alle Anstrengungen die Pinguinpopulationen am Creek zu fördern, in einer Nacht von einem oder mehr Scheißkötern nutzlos gemacht. Dave meint, daß dies das Schlimmste ist, was ihm in seiner Zeit als DOC Officer untergekommen ist. In einer Nacht gut ein viertel der Brutpopulation des Oamaru Creeks dieser Saison ausgelöscht.

Dabei bleibt es vielleicht nicht. Viele der adulten Vögel können irgendwo Küken in Nestboxen sitzen haben, die nun nicht mehr gefüttert werden und womöglich verhungern müssen. Einen deprimierenderen Abschied hätte ich mir in den schlimmsten Alpträumen nicht ausgemalt. Morgen bringt mich Dave nach Christchurch, von wo ich nach Singapur fliegen werde. Dort wartet Stef auf mich. Ein paar Tage Urlaub, bevor es nach Deutschland geht, wo die Arbeit an unseren Daten mit Vollgas weitergeht.