Mein letzter Tag auf Arapawa Island. Die ganze
letzte Nacht hat es wieder aus vollen Kübeln geschüttet.
In den frühen Morgen Stunden hat der Wind aus Süden
aufgefrischt und ist am Morgen schon Nahe an einer Stärke
die ich vorsichtig als "Sturm" bezeichnen würde.
Böen blasen williwar's (Windhosen) über die
East Bay. Und immer wieder beginnt es zu schütten. Das
gute an dem Regen, ist daß wir seit gestern den Wassergenerator
zur Verfügung haben; nach dem langen trockenen Sommer
und Herbst ist endlich wieder genug Dampf auf dem Creek. So
sitzen Tony und ich mit brennender Lampe und dudelndem Radio
("This is National Radio weather: Chatham Islands, showers
with fine periods") und trinken Tee.
Ich horche auf. Aha, wieder Schauer auf den Chathams.
Für einen Meteorologen muß die Wettervorhersage
für die Chathams eine wahre Herausforderung sein... zwar
ist das Wetter immer das gleiche (Schauer, Schauer, Schauer),
aber wie bringt man das abwechslungsreich über den Äther
ohne sich jeden Tag zu wiederholen. Moment, was war's gestern?
Ach ja, "Regen mit trockenen Phasen". Und der Tag
davor? Hmmm, "Vereinzelt Regen". Und davor war's
"Trocken mit gelegentlichen Regenfällen." Wie
heute. Forget Kachelmann!
Draußen fegen Böen Salzgischt gegen
Tony's (relativ) neue Fensterfront... die gleiche Fensterfront,
die ich mit ihm vor einem guten halben Jahr ein paar Buchten
weiter in die Tonee Marie geladen habe, die ich mit
ihm über den Strand geschleppt habe und unter der Tony
seine Hand einklemmte, als wir mit dem schweren Teil auf die
Schnauze fielen (das Ding blieb seltsamerweise intakt).
Die Tonee Marie in der steifen Brise aus
Süd
Ich beginne meine Sachen zusammen zu packen.
Ken und das Mailboot sind so gegen zwei oder halb drei hier.
Es ist kurz nach zwölf. Ich steige in meine miefigen
Klamotten (nach nur zwei Tagen, schon ist alles feucht und
von den verrückten Hunden vollgesabbert) und marschiere
in Richtung Schafsweide, wo die Hunde im Sturm hocken und
auf Knochen herumkauen oder zusammengerollt im Gras dösen.
Jack sieht mich als erster und - Wamm! - ist er hoch und hat
mich fast über den Haufen gerannt. Doug kommt unsicher
hinterher getrollt. Ted springt auf und kommt Schwanzwedelnd
angewetzt. Bess trottet langsam heran. Zu fünft klettern
wir auf den Hügel auf dem Weg zu Walter's Place, der
Wellblechhütte 500 Meter weiter entlang der Eastbay.
Walter und Mary, die beiden alten Maori, die man kaum versteht...
Blick nach Osten: Walter's Place
Kaum stehen geblieben, wurschtelt sich Jack wieder
von hinten zwischen meine Beine. Wieder dieser Blick nach
oben. Und erst, wenn er sieht, daß ich mir den Blick
lang genug angesehen habe, gibt Jack (für kurze Zeit)
ruhe, packt die Vorderpfoten auf einen meiner Füße
(um mich am Weggehen zu hindern, nehme ich an) und blickt
auf die Szenerie um uns herum.
Blick zwischen meine Beine: wiedermal "Jack
Attack" von hinten und unten
Die
Hunde freuen sich. Tony ist im woodshed und zerbröselt
Baumstämme mit seiner Motorsäge zu Brennholz. Das
Wetter ist zu feucht, als daß er an seinen Zäunen
zu basteln könnte. Die Schafe fressen die Hügel
kahl und warten auf das lambing... doch es sind noch
2 bis 3 Wochen, bis die ersten Lämmer zu erwarten sind.
Ich sehe mir den Pulk Hunde an und denke über Tony's
Farm nach. In den letzten Tagen hat er immer wieder über
einen Verkauf an einen Amerikaner nach gedacht. Der Ami hat
ihm 1.3 Millionen Neuseeland Dollar angeboten. Doch Tony will
mindesten 1.55. Er will sich nicht von dem Ami weichkochen
lassen, sagt er. Ich habe aber eher das Gefühl, daß
er (noch) nicht weg will. Die Farm ist noch nicht soweit und
würde er jetzt gehen, hätte er das Gefühl von
"unfinished business". Wenn er verkauft, kann es
sein, daß er schon im September weg ist von Arapawa
Island. Ich schüttele den Kopf.
Wie schnell doch alles gehen kann.
Jack, Ted, Doug und Bess würden hier bleiben.
Im Moment turnen die Bellos auf der Weide herum. Doug nervt
Ted - er beißt ihm immer in die Lefzen. Bess hockt neben
mir im Gras und kuckt sich die junge Bande an und sinniert
vermutlich über Zeiten, in denen sie den Kids noch was
vorgeturnt hat. Über der East Bay geht schon wieder ein
fetter Schauer nieder (Chatham's Ahoi!) und wir sehen zu,
daß wir Land gewinnen. Am Gartentor sage ich "see
ya" zu den Hunden. Ted und Jack blicken mich an, als
wüßten sie, daß wir uns nicht mehr wiedersehen
würden...
Und nochmal: die Tonee Marie tanzt um ihre
Verankerung
Der Wind frischt auf und Ken kommt und kommt
nicht. Es ist viertel vor drei. Tony meint, daß "good
ol' Ken" sicherlich Probleme hat die Post zu verteilen.
In den Verhältnissen mit dem schwerfälligen Postboot
an zum Teil extrem exponierten Stegen anzulegen, ist kein
Kinderspiel. Kurz vor drei und mit einer halben Stunde Verspätung
kommt Ken dann doch. Tony steht in seinen leuchtend gelben
Ölmantel gehüllt neben mir auf dem Steg. Ken rollt
heran. Er kurbelt wie wild am Steuer. Anlegen kann er nicht,
signalisiert er. Ich soll auf den Bug springen. Oh je, nur
nicht in den Bach fallen; ich habe meinen Computer und meine
ganze Arbeit im Rucksack auf dem Rücken. Ich verabschiede
mich rasch von Tony. Er klopft mir auf die Schulter und sagt
"See you next time". Oh, hoffentlich...
Ich springe und lande schwankend auf dem Bug
der Tiri Cat. Ich lasse mich nach vorne fallen und
greife nach den Scheibenwischern. Ich höre Tony hinter
mir "Watch out and take care!" rufen und klettere
seitlich durch's Fenster in das schwankende Boot. Kaum habe
ich meine Klamotten abgelegt und Ken begrüßt, mache
ich mich auf den Weg zum Sonnendeck. Ken wendet und gibt Gas,
das Mailboot prescht in den Wind. Ich klettere die Treppe
zum Sonnendeck hinauf und sehe zur Onauku Station hinüber.
Tony steht noch immer auf dem Steg und winkt. Ich fuchtele
mit meinen Armen zurück. See you, Tony...
Abschied von Tony, ein winkender gelber
Punkt auf dem Steg...
... der kleiner und kleiner wird...
... bis er ganz verschwunden ist.
Bald ist die Onauku Station außer Sicht
und die Tiri Cat bahnt sich ihren Weg stampfend aus
der East Bay und nimmt Kurs auf Ship Cove. Bald kommen die
Wellen von Süden seitlich auf das Mailboot. Das Boot
stampft und rollt. Es ist eine wahre Achterbahnfahrt. Ich
habe den Fehler gemacht, auf dem Sonnendeck zu stehen. Die
Wellen Krachen in die Backbordseite des Boots und klatschen
über die Rehling. Ich ziehe mich lieber ins Boot zurück.
Überfahrt zur Ship Cove: eine Achterbahnfahrt
ist nix dagegen
Wir umrunden Long Island und da ist sie, unsere
Pinguin Insel. 500 Meter auf Steuerbord zieht Motuara Island
an uns vorüber. Fast drei Monate haben wir auf dieser
Insel verbracht. Der Anblick dieses Flecken Erdes hat irgendwie
etwas vertrautes. Und jetzt, nur 500m vom Jetty entfernt frage
ich mich, ob einer von uns jemals wieder einen Fuß auf
die Insel setzen wird. Hm. Warten wir's ab.
Motuara und Hippa Island ein letztes Mal
aus der Nähe betrachtet
Später, in der Resolution Bay, stoppt Ken
plötzlich die Maschine. Um die Tiri Cat tummeln
sich 20 oder 30 große Tümmler. Die Delfine springen
aus dem Wasser oder tauchen unter dem Boot hindurch. Ich blicke
ins Wasser und bin überrascht, wie groß diese Tiere
doch sind. Nicht weit von dem Flecken wo ich über die
Heckrehling lehne, taucht ein großer Bursche auf und
bläst laut - und mir eine Dampfwolke um die Ohren.
2 Stunden später springe ich von der Tiri
Cat auf's Festland. Ken wünscht mir alles gute und
sagt "See you next time round". Wie schon gesagt,
warten wir's ab... Die Sonne ist schon hinter den Bergen verschwunden.
Die Nacht zieht herein, während ich im Wagen in Richtung
Blenheim rolle. Noch einmal den Tank aufgefüllt und dann
in Richtung Kaikoura auf dem Coastal Highway entlang der sturmgepeitschten
Küste. In tintenschwarzer Nacht gleicht der Highway einem
uralten Computerspiel, daß ich anno dazumal auf einem
meiner ersten Brotkisten gespielt habe. "Nightdrive",
weiße Striche rechts und links als Fahrbahnbegrenzung
und breite Striche in der Mitte als Mittelspreichen. Ab und
an blenden weiße Scheinwerfer von vorne. Hinter Kaikoura
wird's richtig fies. Die Brecher haben die Fahrbahn überspült
und Steine, Kelp und was-weiß-ich-alles auf die Fahrbahn
geschleudert. BRRRT!!! Schäse, wieder nicht aufgepaßt
und mit mehr als 80 Sachen durch diesen Käse gebrettert!
Und da schon wieder. Ein Glück, daß Ebbe ist, sonst
könnte es sein, daß diese Wellen mich mitsamt Wagen
ins Meer spülen. Noch 4 Stunden bis Oamaru. Ich Christchurch
mache ich Pause...
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