Nachdem
wir heute unsere täglichen Nestchecks erledigt hatten
gab's Peiltests für Kirsten und Stef. Kirsten sollte
sich allgemein mal reinhören und Stef wollte nocheinmal
die kniffelige Peilung von zu starken Signalen austesten.
Das Wetter war fabulös, deswegen sprang ich meinen Wetsuit,
griff mir GPS Empfänger und einen Sender und ließ
unsere Kayak zu Wasser. Ich würde einen Pinguin simulieren
und einmal um die Insel paddeln. Das hatte ich ja vorher schon
einmal gemacht, als ich die Küstenlinie der Insel mit
dem GPS aufgezeichnet habe. Also ließ ich das Boot zu
Wasser, klemmte Sender und GPS unter die Spannseile und düste
los.
Ein leichter Nordwestwind lag über dem Queen
Charlotte Sound, doch insgesamt kam er mir zu Beginn meiner
Tour ziemlich harmlos vor. Mit im Boot hatte ich meine Digitalkamera.
Mein erstes Bild ging auch prompt in die Hose. Eigentlich
wollte ich unsere Hütte vom Wasser aus fotografieren,
doch dann bemerkte ich, daß man die Hütte vom Wasser
gar nicht sehen kann; das Foto habe ich trotzdem gemacht.
Unsere Hütte auf Motuara Island (irgendwo
im Busch, ungefähr da wo der Pfeil hinzeigt)
Dann konzentrierte ich mich voll auf meine Aufgabe
als Pinguin. Doch kaum war ich aus dem Windschatten unserer
kleinen Bucht herausgepaddelt, als mir auffiel, daß
der Wind doch gar nicht so schlapp war. Zwar war es weit von
starkem Wind entfernt, doch nichtsdestotrotz schob dieser
Nordwester halb-meter-Wellen vor sich her. Das Kayak - eher
ein Wander- als ein See-Kayak - wurde immer wieder von ein
paar Wellen überrollt, so daß ich mir ernsthaft
Sorgen um das GPS Gerät in seiner schwachen ZipLoc Tüte
machte.
Ich versuchte ZickZack-Kurse zu fahren, damit
die beiden an der Antenne das richtige Pinguin-Feeling bekamen.
Zusätzlich hielt ich regelmäßig an, um den
Sender unter Wasser zu halten, so daß ein tauchender
Pinguin simuliert wurde. Langsam paddelte und pinguinte ich
so gen Norden und erreichte schließlich das "Nordkap"
unserer Insel.
Die Wellen hier oben waren schon rechte Brecher
und das Kayak hatte permanent das Bestreben sich quer vor
die Wellen zu schmeißen. Ich blickte die Ostseite von
Motuara Island hinunter und sah Brecher auf die Küste
klatschen, daß es mir ein wenig mulmig wurde. Doch ehe
ich es mir versah, hatte mich der Wind an eben jener Küste
hinunter getrieben. Damit war mir die Entscheidung abgenommen
worden, ob ich die Inselumrundung komplettieren oder doch
lieber umkehren sollte.
Wie sich herausstellte, waren die Wellen zwar
hoch, aber ziemlich easy zu managen. Ich spielte weiter den
Pinguin und paddelte so langsam südlich, vorbei an riesigen
Kelpwäldern. Zwei Pinguine sah ich auf dem Weg nach Süden.
Der erste hatte tatsächlich gerade einen Fisch im Schnabel
und war damit beschäftigt das zappelnde Tier zur Ruhe
zu bringen: er schüttelte immer wieder energisch den
Kopf und knallte den Schnabel mit dem Fisch hart auf die Wasseroberfläche
auf. Ich paddelte näher heran, was den Pinguin nicht
im geringsten störte. Ich war mir ziemlich sicher, hier
einen Pinguin-Kerl vor mir zu haben, denn der Schnabel des
Vogels war wirklich massig. Es war nach 12 Uhr mittags. Kein
Wunder, daß wir oft Probleme haben die Pinguine einzupeilen,
wenn sie so nah an der Insel bleiben um zu jagen. Der zweite
Pinguin lag faul an der Wasseroberfläche und sonnte sich.
Oder trainierte er schwimmen? Bei näherer Betrachtung
fiel mir auf, daß das Tier sehr blau schimmerte, während
das nasse Gefieder der Zwergpinguine in der Regel schwarz
aussieht - möglicherweise hatte ich hier einen gerade
flügge gewordenes Jungtier vor mir.
Auf meinem Weg entlang der Ostküste überkam
mich auch die Muse. Ich drehte mein Kayak gegen den Wind und
fummelte die Digitalkamera aus meinem Wetsuit. Umständlich
friemelte ich die Kamera aus der ZipLoc Tüte und schließlich
aus der Kamerahülle. Und just in dem Moment da ich die
Kamera ausgepackt hatte, stürmte eine Böe heran,
die mir das Paddel fast aus der Hand geweht hätte. Meine
ZipLoc Tüte plus Kamerahülle flatterten ins Wasser,
mein Boot drehte sich seitlich in die Wellen und mir wurde
ganz anders. Hastig griff mich mir Tüte und Hülle,
klemmte mir die Kamera zwischen die Zähne und brachte
das Boot wieder in Position. Ich versuchte ein Foto zu machen,
doch der Wind erfasste sofort wieder das Boot. Die Wellen
brachen über das Deck und ich hatte die Kamera zwischen
den Zähnen. Doch es sollte nicht für umsonst gewesen
sein - schnell packte ich die Kamera und schoß ein Bild
(allerdings hielt ich die Kamera verkehrt herum):
Ein Bild, das außer meinem Gesichtsausdruck
nicht im geringsten
der Dramatik seiner Entstehung entspricht: meine Pinguin-Tour
entlang der Ostseite Motuara Islands -
hinter mir Kelpwälder im Wasser und Hippa Island (Motuara
Islands kleine "Ankerinsel")
Nach soviel Action beschloß ich, nur noch
Bilder in ruhigem Wasser zu schießen. Auf dem Weg um
Hippa Island herum, der kleinen "Ankerinsel" am
Südostzipfel Motuara Islands, blickte ich zum Observation
Tower hinauf. Ich konnte weder Stef noch Kirsten sehen, jedoch
erhaschte ich ein paar Blicke auf die Antenne. Ich war nicht
gerade begeistert, daß die beiden ungefähr 90°
an meiner tatsächlichen Position vorbeipeilten.
Als ich um Hippa Island herum paddelte erwartete
mich ein ziemlich ungewohnter Anblick unserer einsamen Südseeinsel.
An dem Boots-Mooring vor unserem South Gully war allerhand
los. Und mir fiel wieder ein, daß heute Sonntag eines
langen Wochendes war.
Aus der Traum von der einsamen Insel -
Wochenend-Wasser-Camper vor dem South Gully
Wie es sich für ein paradisisches und leicht
schiffbares Seegebiet gehört, schwärmen an langen
und sonnigen Wochenende die Wasser-Camper mit ihren Yachten
aus, ankern in geschützen Buchten und verbringen drei
Tage auf dem Wasser um zu lesen, zu angeln oder fernzusehen.
Für mich, als momentan verwildertem Buschmann, war dieser
Anblick schon irgendwie seltsam: da hocken sie auf ihren Booten
und machen, was sie auch an verregneten Sonntagen zu Hause
machen und keine 50 Meter weiter ist eine wilde Insel voll
mit Pinguinen und Robins und Saddlebacks und Kiwis. Doch ich
muß ehrlich sagen, daß es mir so am liebsten ist;
wenn ich mir vorstelle, alle Leute würden mit ihren Zelten
über Motuara Island hereinbrechen (was sowieso nicht
erlaubt ist - aber wenn...), dann wäre die letzte Illusion
unserer "wilden Insel" dahin. Doch so bleiben uns
die Pinguine, die uns Nachts wach schreien, die Sooties (Dunkelsturmtaucher),
die in der Dämmerung als Kamikaze-Flieger auf unsere
Veranda krachen und die Robins, die uns das Müsli aus
der Schale und die Butter vom Brot klauen. Und doch würde
ich es jedem Menschen gönnen, das Inselfeeling zu erleben,
in dem wir seit nunmehr 2 Monaten leben. Ich glaube es wird
sehr schwer werden von der Insel abzureisen.
Aber das ist ja noch eine ganze Weile hin.
:-)
|