Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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NEUIGKEITEN - 06. Juni 2000

Letzten Mittwoch habe ich mich ins Auto gesetzt und bin die 700Km bis in die Marlborough Sounds hinauf gefahren. Am Donnerstag traf ich mich dann morgens mit Bill Cash, dem zuständigen DOC-Officer in Picton. Es wurden ein paar interessante Stunden, mit einem ungeheuren Tee-Konsum.
Zunächst stellte ich mich vor und erzählte Bill im Großen und Ganzen was wir vorhaben, zeigte ihm meine Transmitter und quetschte ihn wegen der Lokalitäten aus. Nach Beratschlagung mit zwei weiteren DOC-Officern kamen wir dann zu dem Schluß, daß eine Antenne auf dem Aussichtsturm auf Motuara Island prima wäre. Das einzige was dort auf uns wartet, sind Besuche von Touristen, von denen wir aller Wahrscheinlichkeit (O-Ton Bill Cash) "permanent, niemals endend und immer wieder gleich ausgequetscht" werden. Was die zweite Antenne angeht, so waren sich die DOC-Leute einig, die Westküste des Queen Charlotte Sounds ist ziemlich ungeeignet, weil dicht mit Busch bewachsen und ungeheuer schlecht zu erreichen ist (mal abgesehen über den Queen Charlotte Walkway). Doch einhellig waren sie der Meinung, daß "dies ein Fall für Tony Tristram" wäre. Besagter Tony ist der Besitzer der nördlichen Hälfte von Arapawa Island.


Arapawa Island begrenzt den Queen Charlotte Sound nach Westen, stellt in diesem Bild also den Horizont dar.
Tony Tristrams Ländereien erstrecken sich von dem Sattel zwischen dem zweiten und dritten Hügel (von links) bis weit über den linken Bildrand hinaus.

Bill meinte, daß Tony ein "pretty good guy" sei, der uns da sicher helfen würde, da würde es keine Probleme geben. Will, einer der anderen DOC-Officers meinte, daß Tony sicherlich auch ein Zimmer für die Arapawa Island Gruppe hätte und ein prima Gastgeber sei. Ansonsten würde auf einem der Hügel auch noch eine Hütte stehen, die allerdings "a bit of a broom" brauchen würde - dementsprechend ist diese Hütte wohl doch etwas ... verwohnt. Wie Tony uns helfen wird und ob er ein Zimmer für uns hat, werde ich in den nächsten Tagen heraus kriegen, sobald ich ihn am Telefon erreicht habe.

Nach diesen organisatorischen Unterhaltungen, während wir in der Kantine saßen und literweise Tee in uns hineinschütteten, überraschte man mich mit der Bemerkung, daß gleich Dee Wilson von der Presse wegen eines Interviews mit mir kommen würde. Dee war eine Frau in den Fuffziger mit schlohweißem Haar und einem Adlerblick. Das Interview, das sie mit mir in der schon erwähnten DOC-Kantine führte (während der Tee weiterhin ohne Ende floß), war schlimmer als so manches Kolloquium oder manche mündliche Prüfung: Dee quetschte mich aus wie eine reife Zitrone. Sie wollte alles wissen und bohrte erbarmungslos nach Details. Während des Interviews kritzelte sie seltsame Linien auf einen kleinen Spiralblock, lesen konnte man diese Ultra-Stenoschrift nicht. Seite um Seite krakelte die Frau voll, und ließ mich mein gesamtes Studentenleben erzählen - wieso Biologie, wo habe ich studiert, was habe ich gemacht, wieso Pinguine, wann, wo, wie habe ich zum ersten Mal Pinguine gesehen, welche Tiere noch, würde ich mich als Ornithologen betrachten, und so weiter und so fort. Ich konnte gar nicht glauben, daß die Frau nur einen Artikel über mich schreiben wollte. Was ich ihr erzählte reichte schon fast für ein Buch. Und immer wieder kommentierte sie meine Erzählungen mit "Now, that's interesting! Tell me more about that, please...".
Nach einer guten dreiviertel Stunde fand die Fragerei ein Ende. Als nächstes hatte Dee ein Foto auf dem Programm stehen. Mit ihren Adleraugen scannte sie die Lounge des DOC-Offices. Zunächt mußte ich mich vor eine große Topographische Karte der Marlborough Sounds hocken und mit dem Finger irgendwo in die Landschaft pieken und so tun als erklärte ich etwas (ich kam mir ein bisschen vor wie Doktor Best, der an einer Grafik die Vorteile der neuen Schwingkopfzahnbürste erklärt) - irgendwie eine alberne Situation. Das sah dann nach einigen Versuchen auch Dee ein und zerrte mich ins Treppenhaus, wo ein Foto eines Zwergpinguins hing. Jetzt mußte ich mich vor dieses Bild stellen und den Pinguin angucken, dann wieder doch lieber zur Kamera hinsehen, oder nein, doch lieber den Pinguin, aber näher ran, ja so, nein doch noch nährer. Mittlerweile war ich so nah dran, daß ich das Bild gar nicht mehr scharfstellen konnte, was ich aber krampfhaft versuchte, so daß Dee mir schließlich vorwarf, ich würde wie ein Verrückter aussehen. Ou Mann, was ein Drama. Und überall grinsende DOC-Officers. Ich war froh als alles endlich ein Ende hatte. Dee versprach mir noch, mir ein Exemplar des Artikels zukommen zu lassen. Dann war ich entlassen... puh!

Was die Fahrt auf einem DOC-Boot anging, so mußte mich Bill auf den kommenden Dienstag vertrösten. Erst dann könne er mir sagen, ob und wann ich zur Insel hinaus fahren könnte. Gut, dachte ich mir, dann werde mich ich so lange im Nelson Lakes National Park in den Busch verkrümeln. Wie das war, steht hier zu lesen.