Singapur - 22. Januar 2001.
Au weia, hab komplett vergessen, wie heiß es in dieser
Stadt, ein paar Grade oberhalb des Äquators doch ist.
28°C und das abends um elf. Ich hocke mit meinem kompletten
Klamottengepüngel (magere 28 Kg Gepäck plus Fototasche
und Laptop vor dem Tasvee Restaurant am Rand von Chinatown,
schlürfe meinen ersten Tee Tarik (süß und
heiß) und warte auf Stef. Bin schon ein wenig nervös,
seit fast einer Stunde hocke ich hier, schwitze mich tot.
Meine Gedanken rollen immer um die Frage, ob icfh Stef hier
ohne Probleme treffen werde. Eigentlich war der Treffpunkt
klar ausgemacht. Aber Zweifel hat man immer. Ich würde
mich totlachen, wenn Stef auf der anderen Seite dieses Busches
hockt und sich die gleichen Gedanken macht. Einen Tee Tarik
später - der erste Tee Tarik ist bereits über meinen
Rücken in mein T-Shirt transpiriert - sehe ich doch nach.
Und da sitzt sie, neben ihr stehen zwei leere Tee Tarik Gläser.
Singapur - 23. Januar 2001.
Singapur ist meine Lieblingstadt in Asien. Nirgendwo sonst,
kann ich so gedankenlos in einen Konsumrausch verfallen. Die
Läden mit Elektronikkrams ohne festen Preis sind erstens
voller toller Sachen, die ich als "Gadget-Freak"
am liebsten alle kaufen würde, und zweitens wunderbar
klimaanlagengekühlt. Mit Stef auf der Orchard Road, der
Megashoppingmeile Singapurs. Shoppingkomplexe mit 7 oder 8
Stockwerken mit 2000 Shops, die alle mehr oder weniger den
gleichen Kram zu unterschiedlichen Preisen verkaufen. Herrlich!
Ich renne eine Stunde durch das Basement des Ming Komplexes
- Stef hat sich bei einem Reflexmassagesalon langgemacht und
läßt sich den Nacken durchkneten, etwas wovon sie
schon auf Motuara Island geträumt hat - und ich klappere
die ganzen Elekrtonikläden ab. Eigentlich will ich nur
einen neuen CD-Walkman kaufen. Doch, hey, die Palm Computer
sind ja extrem billig (oder?) und da muß man sich doch
mal erkundigen. Als ich Stef von der Massage abhole, verdreht
sie die Augen; sie hat die riesige Einkauftüte in meiner
Hand anvisiert. Darin ein neuer CD Walkman und ein Palm Computer.
Ich liebe shoppen... negative Begleiterscheinung: shoppen
kostet auch immer Geld.
Bummel durch Chinatown. Es ist ziemlich heiß
zwischen den Betonklötzen Singapurs. Wie mögen sich
da die Drachentänzer in Chinatown fühlen. Chinesisches
Neujahr: das Jahr des Drachen ist heute Nacht gegessen, herzlich
willkommen im Jahr der Schlange. Ein ziemliches Gewusel am
Tage. Die Leute kaufen wie wild grellroten Papierschmuck:
Lampions, Papiergirlanden, Knallfroschschlangen, Drachenköpfe.
Jede chinesische Wohnung wird mit Lampions und Gottesbildern
- und davon gibt es eine ganze Menge - geschmückt.
Wir schlendern durch den Chinatownkomplex. Eigentlich
hat der Komplex eher das Ambiente eines Flohmarktes in einem
Parkhaus. Überall stehen kleine Buden, in denen alle
erdenkbaren Waren und Dienstleistungen abgeboten werden: Schlüsselmacher,
Schuhe, Kleidung, Uhrmacher, Duschköpfe, Drachenköpfe,
Schlangenhaut, getrocknetes was-weiß-ich und pulverisiertes
Hischgeweih, Türknaufe, Toaster und Reiskocher, Video
CDs und Musik (Karaoke und chinesischer Gesang in Tonhöhen,
die das Trommelfell rasieren). Ein Parkgeschoß tiefer:
Fisch, Fleisch auf riesigen gekachelten Auslagen. Fischköpfe
auf Eis, nackt-gelbe Hühnchen an Haken, Obst. Eine verwirrende
Riechmischung aus Fleisch und Zitrusfrüchten prickelt
in der Nase. Und dann, unverkennbar, unüberriechbar,
unvermeidlich - Durian. Durian, die Killerfrucht. Verboten
in öffentlichen Gebäuden, Hotels, Taxis und U-Bahn.
Durians sehen aus wie riesige Kastanien und riechen wie ein
übergelaufenes Bahnhofsklo. "Penetrant" ist
ein Understatement. "Intensiv" beschreibt den Geruch
nur wenig besser. Um die nächste Ecke sehen wir große
geflochtene Körbe, zum Bersten mit der Stinkfrucht gefüllt.
Einmal habe ich Durian getestet. Angeblich ein extremes Aphrodisiakum,
was ich aber nicht unbedingt bestätigen kann. Man ißt
die faserige milchig-gelbe Hülle der Durian-Kerne. Das
Zeug ist ziemlich cremig, hat die Konsistenz eines Softeises
und schmeckt im ersten Moment nach nichts. Doch der Nachgeschmack
haut einen aus den Socken: ein Mund voller Zwiebeln, der einen
unwillkürlich nach Luft schnappen läßt. Es
ist nicht scharf, nein, es ist eher so: ein morgendliches
Erwachen nach einem Abend mit viel rohen Zwiebeln.
Durian, die übelriechende, nach Zwiebeln
schmeckende Killerfrucht
Wie gesagt, die Durian ist in öffentlichen
Gebäuden und der U-Bahn verboten. Doch, das ist nicht
alles. In Singapur gibt es eine Menge Verbote und es werden
Strafen angedroht, die sich gewaschen haben. "Rauchen
in der U-Bahn" - 1000$, "Trinken oder Essen in der
U-Bahn" - 500$. Hat man aus versehen seinen Spirituskocher
dabei, kann es schon vorkommen, daß man 5000$ springen
lassen muß. Doch die Sage, daß man in Singapur
keinen Kaugummi auf die Straße spucken darf, ohne sofort
in den Knast zu wandern, erscheint etwas weit hergeholt -
in ganz Singapur gibt es keine Kaugummis zu kaufen (wir haben
es versucht).
Verbotsschilder in der MRT, Singapurs U-Bahn
Auf dem Rückweg zu unserem Hotel kaufen
wir uns von einem der vielen Straßenstände frische
Papaya und Wassermelonenstücke und Ananas am Stiel. Vorbei
an einigen Tempeln. Vor ein paar Jahren habe ich einmal die
Tour durch Chinatown gemacht und sämtliche Tempel besucht.
In Singapur sind alle großen Religionen in unmittelbarer
Nachbaschaft zu finden: Hindu-Tempel neben chinesichen Räucherstäbchen-Tempel
neben Moschee (habe allerdings noch nie einen Muezzin in Singapur
singen hören) neben einer Kirche. Man muß einfach
anerkennen: die buntesten Tempel haben die Hindus, dicht gefolgt
von den chinesischen Gebetshäusern. Moscheen haben immerhin
ein luftiges Design. Kirchen finde ich deprimierend: grau
und öde.
Ein klitzekleiner Hindutempel hat mit mehr
Farben
als eine Digitalkamera verabeiten kann
Am Abend stürzen wir uns noch mal ins chinesiche
Neujahr in Chinatown. Die Straßen sind voller Menschen,
es gibt kaum ein Durchkommen. Straßenstände verlaufen
Nippes ud Karaoke CDs. An einigen Ständen bekommt man
elektronische Kracherschlangen: man muß die Lunte nicht
anzünden und hinterher auch den Dreck der hochgegangenen
Kracher nicht wegmachen - die Böllergeräusche kommen
metallisch-scheppernd aus einem Speicherchip und kleine rote
Leuchtdioden an den Böllerattrappen aus Plastik immitieren
die Explosion. Klasse, muß ich haben! Doch ein Blick
auf Stefs Gesicht sagt mir, daß es besser ist das Weite
zu suchen. Das hohe chinesiche Gejodel von unzähligen
Karaoke CDs, das Gegröhle an den unzähligen Ständen
mit Ramschauktionen, das "Buy here, misses" und
das Gedrängel in der wogenden Menge chinesicher Neujahrsenthusiasten
sind für westliche Pinguinforscher ein wenig irritierend
(um es gelinde auszudrücken). Die Hitze tut ihr Bestes,
um uns den Verstand zu rauben. Und da geht wieder eine Ladung
elektronischer Böller hoch.
Gesichter Asiens - Stef wird wahnsinnig
Zurück in unserem Zimmer im Chinatown Guesthouse
mit der lärmenden Klimaanlage und dem Schimmel an den
Wänden, entschließen wir uns, am nächsten
Tag nach Malaysia abzudampfen.
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