Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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SINGAPUR & MALAYSIA - Teil 2

Singapur - 24. Januar 2001.
Wir zahlen. Das Frühstück im Tasvee Restaurant ist nach westlichen Maßstäben ungewöhnlich, aber es ist so gut: Roti prata (eine Mischung aus Fladenbrot und Pfannekuchen) mit Currysauce und Tee Tarik. Wie immer bekommen wir die "Rechnung" auf einem Pappfetzen einer alten Zigarettenschachtel. In unserem Zimmer oben im Chinatown Guesthuose stehen unsere Rucksäcke fertig gepackt. Heute fahren wir nach Malaysia. Wir ducken uns in den schmalen Eingang des Gebäudes, das Guesthouse ist im 5ten Stock. Wir nehmen den Aufzug; das Treppenhaus ist wenig einladend: kein Licht, dackelgroße Kakerlaken und Urinpfützen in den dunkelsten Ecken. Stef drückt auf die "5", der Aufzug setzt sich in Bewegung. Die Zahl auf dem Display wandert: "1", "2", "3", "4", "5". Wir sind da. Die Tür des Aufzugs öffnet sich. Leider nur etwa 5 cm. Hmm. Stef drückt auf den Tür-auf-Knopf. Ein zartes metallisches Grunzen. Sonst nichts. Ich drücke auf ein anderes Stockwerk. Der Knopf leuchtet brav auf, doch der Aufzug bewegt sich nicht. Ich bin eigentlich nicht unbedingt klaustrophobisch: ich bin in engen Höhlen marschiert, habe Silberminen mit ein Meter hohen Schächten besucht und war auch schon auf Rockkonzerten. Doch zwei Orte sind mir seit meiner Kindheit suspekt - enge Toiletten ohne Fenster und Aufzüge. Ich steckte einmal 15 Minuten im Aufzug der Uni-Klinik Düsseldorf fest, weil ein Arbeiter das falsche Kabel kappte (was bedeutete, daß auch das Licht im Aufzug ausging). Seitdem bin ich Aufzügen gegeüber noch reservierter. Die Idee in Singapur, in einem Gebäude, in dem außer uns und der Besitzerin des Guesthouses kein Mensch ein oder ausgeht, bei 30°C in einem 1,5 x 1,5 Meter großen Aufzug zu stecken, paßt mir gar nicht. Stef und ich beginnen an der Tür zu ruckeln und zu zerren. Ich rufe durch den Spalt der äußeren Schiebetür, doch - welch Wunder! - erhalte keine Antwort. Mir wird warm. Wir rackern mit der Aufzugtür. Irgendwann bin ich so elektrisiert, daß ich mich selbst in etwa einem Meter höhe an der Aufzugstür klebend widerfinde: meine Füße stemmen gegen die eine Schiebetür, meine Hände zerren an der anderen Hälfte. Und dann - WAMM!!! - fliegt die Tür plötzlich auf, klemmt mir einen Finger ein und ich fliege auf den Hintern. Die äußere Schiebetür ist einfach zu öffnen - man muß lediglich einen Metallstift nach unten ziehen und sie öffnet sich von selbst. Doch selbst das ist mit meinem Adrenalinspiegel etwas komplizierter. Irgendwann sind wir draußen. Mit unseren Klamotten nehmen wir später mit Freude das Treppenhaus.

Vom Stadtteil der "Little India" genannt wird, nehmen wir den Singapore Johor Express hinüber nach Malaysia. Die Einreise nach Malaysia über den Causeway, der großen Brücke, die Singapur und Malaysia über die Singapore Straits verbindet, ist beim ersten Mal ein Abenteuer. Doch wenn man das ein paar Mal mitmacht, dann graut es einem davor. Es läuft in etwa so. Man sitzt in einem air-con Bus, der über Singapurs Freeways nach Woodlands, dem Checkpoint vor dem Causeway, fährt. Mit einer Vollbremsung kommt der Bus an den futuristischen Zollgebäuden auf der singapurianischen Seite zum Stehen. Nun muß man mit dem gesamten Gepäck, zu Fuß durch den Zoll und zwar schnell, denn der Bus wartet nur kurz auf der anderen Seite. Ist man zu lahm, muß man eine halbe Stunde oder länger warten, bis der nächste Bus vorbei kommt. Also ist jeder Passagier darauf bedacht bei dem abrupten Stopp möglichst schnell aus dem Bus zu gelangen. Um hier bestehen zu können, ist es "travelling light" oberstes Gebot. Irgendwie ist uns das auf all den Reisen, noch nie so recht gelungen - wir haben grundsätzlich 2 Tonnen Gepäck am Körper. Wenn man dann in Windeseile durch den Zoll ist, sprintet man zum Bus, der bereits wieder anrollt. Es geht über die Brücke. Zwei Minuten später: abrupter Stopp, allgemeine Hektik, alle stürzen aus dem Bus - die malayischen Behörden müssen überwunden werden. Und hier kommt dann der Infarkt. Während der Zoll in Singapur modern, neu, durchorganisiert ist, zeichnet sich der von Malayisia dadurch aus, an seiner Zeit vorbei, alt und chaotisch zu sein. Die Menschenmassen knubbeln sich vor einem einzigen, winzigen Drehkreuz, das zu 25 Schaltern führt, von denen zwei besetzt sind. Irgendwann erbarmen sich Zollbeamte und winken die Touristen, die sich durch Rucksäcke und käsige Gesichter von der Menge abheben, zu einem anderen Schalter, was von dem Rest der Leute in dem Pulk mit wenig Freude begrüßt wird ("Blöde Touris!"). Zehn Minuten und zwei Stempel später stellen wir dann fest, daß der Bus schon weg ist. Also warten wir in brütender Hitze eine halbe Stunde lang, während und malayische Taxifahrer anhauen ob wir "Teksi? Teksi?" bräuchten.

Etwa zwei Stunden nachdem wir in Little India in den Expressbus gestiegen sind, kommen wir am Busbahnhof von Johor Bahru/Malaysia an. Die Luft riecht nach Benzin und Erbrochenem (dieser Geruch ergibt sich, wenn irgendwo unauffindbar Durians verrotten). Malayen laufen mit Kaffee in Plastikbeutelchen mit Strohalm herum. Vor den unzähligen "Tiket Kaunters" sitzten schwergewichtige Fahrkartenverkäufer und brüllen die Destinationen in den Tag: "Kualumper Kualumper Kualumper... (Kuala Lumpur)" oder "Tingitingitingi.... (Kota Tinggi)". Leider schreit keiner "Mersingmersingmersing... (Mersing)" denn da wollen wir hin, um die Fähre nach Pulau Tioman, unserer tropischen Insel zu nehmen. Nach einiger Forschung erfahre ich, daß der nächste Bus nach Mersing erst in vier Stunden gehen würde. Stef und ich beratschlagen und entscheiden uns dann für die Hardcore-Reise: Bummelbus nach Kota Tinggi und von dort dann Bummelbus nach Mersing. Der Bus nach Kota Tinggi war einmal ein air-con Bus. Die air-con funktioniert aber leider nicht mehr. Dummerweise kann man in air-con Bussen die Fenster nicht öffnen, was bei nicht funktionierender air-con für die Ventilation des Passagierraumes nicht gerade förderlich ist. Zudem ist der Bus rappelvoll. Stef und ich hocken eingewezwängt auf zwei Sitzen, mit unseren Rucksäcken und allem Mist zwischen, unter und auf den Beinen. Ich meine, wir hätten auch stehen können, wie die etwa 30 Unglücklichen Passagiere, die sich nach uns in den Bus quetschten. Die Busfahrt sit die Hölle. In Malaysia gibt es keine Bushaltestellen. Vielmehr hält der Bus da, wo ein Passagier aussteigen will. Dazu muß der Passagier nur auf einen der vielen roten Knöpfe drücken, es macht laut Ping! und der Bus hält an. Doch zwei Sachen sind dabei von Nachteil. Erstens hät der Bus dadurch alle 50 Meter, denn kaum hat der Fahrer die Kupplung kommen lassen, hat schon wieder jemand ein Ping! ausgelöst. Und zweitens sind die Leute die aussteigen wollen, grundsätzlich ganz weit hinten im übervölkerten Bus, so daß es Jahre dauert, bis der Passagier endlich draußen ist.

Nach extrem ausdörrenden eineinhalb Stunden, taumeln wir in Kota Tinggi aus dem Bus. Der Bus nach Mersing fährt eine halbe Stunde später. Doch man muß erst einen Platz im Bus bekommen! Der Bus steht mit laufendem Motor dort, die potentiellen Passagiere (an die 50 sind schon da) ringen um einen guten Platz an der Vordertür des Busses. Stef und ich und unsere 2 Tonnengepäck, stürzen uns ins Gewühle. So drängelt man dahin und hofft, daß der Busfahrer kommt und die Tür öffet, bevor man in Ohnmacht fällt. Und kommt der Busfahrer dann endlich, so ist klar, daß dieser Bursche im Moment das genaue Gegenteil von "Ohnmacht" empfindet. In diesem Moment ist er Gott, denn er hat die Macht die Bustür zu öffnen. Und so kommt Gott ganz gemächlich, in der Nase popelnd, noch einmal in den Rinnstein spuckend, seine coole Sonnenbrille zurechtrückend, extrem relaxed zum Bus geschlendert, während sich an der Bustür Dramen abspielen. Stef und ich haben dank unseres Gepäcks einen Masse-Vorteil, der uns wie eine Lawine durch die Menschen schlagen läßt, so daß wir am Ende tatsächlich zwei Sitzplätze nach Mersing erhalten. Leider ebenfalls air-con ohne "con" und kaum "air".

Was für ein Tag, denken wir, als wir uns am Abend in Mersing in unser Zimmer mit funktionierender Klimaanlage im Hotel Embassy zurückziehen. Was für eine Reise, wenn man den Aufzug noch mit dazu zählt...

Mersing, 25. Januar 2001.
Ich sitze auf einer Holzbank, auf dem Topdeck der Seagull Ferry, die mich und Stef nach Tioman schippert. Ich versuche krampfhaft eine Partie Solitaire auf meinem tollen, neuen Palm Computer zu lösen - was nicht weniger frustrierend ist, als auf anderen Computern. Stef ist mit der Digitalkamera unterwegs und schnappt Schüsse.


Ich und mein Palm und eine Runde Solitaire, die wieder nicht aufgehen wird

Die Farbe des Wassers auf dem die Fähre langsam auf See hinausgleitet ist die von Tee Tarik: braun und lehmig. Der Müll, der auf dem Wasser dahin treibt ist immer der gleiche: Plastik-Colaflaschen und zerfetzte Mülltüten. Wieso schmeißen die Leute hier eigentlich immer alles in den Bach? Was passiert eigentlich mit dem Müll in Malaysia. Auf jeden Fall ist die Szenerie im Hafen von Mersing ziemlich klasse: exotische Holzboote, von denen die Farbe abblättert (und auf die ich mich wahrscheinlich nicht trauen würde).


Malayische Fischerboote entlang des Hafens von Mersing

Erst sehr viel weiter weg vom Festland wird das Wasser klar. Die Fähre, voll beladen mit malayischen Touristen, die ihr langes Wochenende wegen des chinesischen Neujahres genießen, die gut gelaunt und Menthol- und Nelkenaromazigaretten rauchend auf dem Topdeck herumschliddern. Die Fähre fährt vorbei an kleinen unbewohnten Inseln, mit ein paar einzelnen Palmen. Doch etwas fehlt: seitdem wir Mersing verlassen haben, sind mir kaum Vögel in den Blick geraten. Keine Möwen, das ist doch das mindeste was man auf dem Meer erwatre dürfte. Nichts dergleichen. Ein indiz, daß wir hier keine so arg fischreichen Gewässer finden, daß sich das ganze Meeresleben in und um die Korallenbänke der Inseln dreht? Ich wünschte ich könnte mich wieder an meine Meereskundeprüfung erinnern...


Pulau Tioman unter Gewitterwolken

Nach gut zwei Stunden stehten Geschippers nähern wir uns Pulau Tioman, das unter einer wattigen Decke Gewitterwolken liegt - Monsunzeit. Die Fähre fährt nach und nach alle Siedlungen auf der Insel an. Ach, machen wir uns nichts vor: die Siedlungen sind allesamt Touristenresorts, ohne die Touries wäre Tioman doch nur von ein paar Fischern und den Affen bewohnt - und den Monitorlizards. Unser Ziel ist Salang, der "Budget-Siedlung" ganz im Norden der Westküste von Tioman, wo die Unterbringung nicht ganz so luxuriös ist wie in Paya oder Air Batang.


Die Fähre entfernt sich von Air Batang, der letzten Siedlung vor Salang

In Salang stellen wir fest, daß tote Hose ist. Die meisten Tauchläden haben dicht, was uns ein bisschen Sorgen macht. Wir kommen entgegen der Planung nicht in unserer alten Hütte bei den Salang Huts unter. Wir mieten uns eine Hütte am Südende der Bucht. Eine prima Hütte, die wir mit der Katzenpopuzlation der Insel teilen müssen - so scheint es jedenfalls, wenn auf unserer Veranda Revierkämpfe und Fortpflanzungsrituale praktiziert werden.


Unser Domizil welches wir mit der Katzenpopulation der Insel teilen mußten

Auf einem ersten Erkundungspaziergng entlang des Strandes treffen wir auf Azmih, Stef's Tauchlehere von 1999, der Stef natürlich prompt wieder erkennt. Und er räumt unsere Sorgen bezüglich des Tauchens aus und wir vereinbaren in den nächsten Tagen mit ihm tauchen zu gehen. Im dem Bach, der durch Salang plätschert (glasklar, aber die unvermeidlichen Colaflaschen und Mülltüten fehlen nicht), badet ein Monitorlizard, den Stef unbedingt fotografieren will. Doch die Digitalkamera vermanscht das Bild zu einem Pixelsalat, den man animieren muß um den Lizard zu erkennen (oder soll ich dich die formidable Tarnung der Echse dafür verantwortlich machen?)


Ein Monitorlizard in formidabler Camouflage

In den nächsten Tagen schnorcheln wir, und gehen auf zwei Tauchgänge. Meine Beschreibung der Unterwasserwelt würde dieser nicht gerecht werden, deswegen versuche ich es gar nicht erst, deswegen nur eine Auflistung, was wir in den zwei Tagen zu sehen bekommen: 20.000 Papagaienfische in schillernden Regenbogenfarben, ein dutzend Suppenschidlkröten, die gemächlich an den Geweihkorallen knabbern und sich nicht unbedingt von uns stören lassen; 3 (Stef) bzw. 4 (ich) Schwarzspitzen-Riffhaie (den vierten entdeckte ich zuletzt und dieser erscheint mir so groß, daß mir flau wird und ich Stef lieber nicht auf ihn aufmerksam mache). Unsere Tauchgänge sind ebenfalls die Reise wert: wir tauchen zu einem Wrack, daß aussieht wie aus einem Abenteuerfilm, mit Segelmasten und einem großen Steuerruder, und welches bedeckt ist mit Anemonem und Fächerkorallen, zwischen denen Clownsfische turnen. Zum Abschluß ein Tauchgang bei Coral Island, mit starken Strömungen und einer Muräne, die uns mürrisch beäugt.

Und dann setzt der Monsun wieder ein, so daß Tauchen unmöglich macht, denn erstens ist die See zu rauh und zweitens die Sicht unter Wasser ungefähr so, wie wir es von Tauchgängen in der Ostsee gewöhnt sind. Das heißt, daß Stef und ich mehr Zeit mit den Katzen auf unserer Veranda vor den Computern verbrachten. Einen vormittag kletterten wir in den Dschungel und checkten die nächste Bucht, die Monkey Bay, ab. Doch das Schnorcheln ist traurig, statt dessen fanden wir eine Schmusekatze, die uns anschließend den ganzen Weg durch den Dschungel bis Salang folgt - es nimmt einfach kein Ende mit den Schnurrmaschinen.


Stef, eine Schmusekatze die uns bei einem Dschungeltrip bis Salang gefolgt war
und die fertigen Ei-Schicksal-Grafiken unserer Pinguine in Neuseeland

Die Arbeit an den Daten bringt mir immer wieder die Tragödie am Creek in den Kopf. Der Bruterfolg ist definitiv in den Keller gegangen. Doch im Vergleich zu Motuara Island, hält sich der Creek immer noch sehr gut. Die Auswertung der Daten geht voran und ich bereite meine Tabellen und meine Grafiken für meine Diplomarbeit vor, so daß ich zu Hause nur noch zusammenschreiben muß (natürlich wird es anders kommen, da bin ich mir sicher, aber bei 25°C auf einer Veranda sitzend und dem Wind in den Palmen zu lauschen, fördert icht unbedingt den Schlußstreß eines solchen Unternehmens). Nach einer Woche reicht es, das Wetter wird nicht mehr besser, tauchen haben wir schon vor zwei Tagen abgeschrieben und wir wollen in Singapur noch in den Jurong Bird Park. Außerdem fahren die Fähren wegen des Wetters nur noch sporadisch und so verlassen wir am 31. Januar Salang und Pulau Tioman.


Das Foto, daß ich mir für gutes Wetter aufheben wollte, welches aber nicht kam - Salang im Monsunregen

Nach einer Nacht in Mersing fahren wir zurück nach Singapur - wieder auf der Streßroute Mersing-Kota Tinggi-Johor Bahru, denn die Expressbusse nach Singapur sind alle ausgebucht. Glück muß man haben.


Teil 2 - Malaysia