Das Tagebuch eines Forschungsprojektes
 
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SINGAPUR & MALAYSIA - Teil 3

Singapur - 2. Februar 2001.
Seit gestern sind wir zurück in Singapur, zurück im Chinatown Guesthouse mit seinem brandgefährlichem Aufzug, den ich bislang auch erfolgreich umschifft habe. Ich nehme lieber die Treppe, obwohl das Treppenhaus mit seiner fehlenden Beleuchtung und dem Urindämpfen in der Luft ebenfalls nicht sehr einladend ist. Imerhin kann man hier nicht stecken bleiben. Und in der Dunkelheit sieht man auch nicht, ob mausgroße Kakerlaken vor einem reißausnehmen...

Stef und ich machen uns heute vormittag auf den Weg zum Jurong Bird Park. Wir waren vor zwei Jahren zwar schon einmal dort, doch die Diskussionen über "Zwergpinguine in Zoos" mit Dave in Oamaru ("Zwergpinguine nur in neuseeländischen Zoos, Sydney und Nebraska!") warfen die Frage auf, ob es die kleinen Schreihälse auch in Singapur zu sehen gibt. Mal ganz davon abgesehen ist der Jurong Bird Park in Singapur einer der wenigen Zoos in der Welt, wo ich nicht in Anbetracht der Tierdisplays deprimiert über das Zoogelände schleiche - ums zu präzisieren: lediglich den Burger's Zoo in Arnheim besuche ich auch noch einmal gerne. Der Jurong Bird Park, wie's der Name schon sagt, ein Vogelpark und ist, wie's sich für Singapur gehört, perfekt durchstrukturiert und organisiert: große Volieren, große Käfige und - wie uns aufgefallen ist - der große Kritikpunkt, die armen Keas (neuseeländische Bergpapageien), die vor zwei Jahren noch in einem winzigen Käfig in der hintersten Ecke des Park ihr Dasein fristeten, sind weg. Ich hoffe verkauft...


In der MRT Singapurs, warten auf die nächste Bahn

Doch zuerst muß man zum Jurong Bird Park kommen. Man hat zwei Möglichkeiten: Taxis oder öffentliche Verkehrsmittel, namentlich die MRT und Busse. Die MRT Singapurs ist eine der Hauptschlagadern der Stadt. Manchmal habe ich has Gefühl, das täglich mindestens 50% der singapurianischen Bevölkerung die Einschienenbahn, die sowohl unterirdisch (im Zentrum) als auch überirdisch verkehrt, benutzen. Speziell am Nachmittag ist in der MRT die Hölle los. Wie alles in Singapur, so ist auch die MRT perfekt organisiert: die Bahnen haben selten oder nie Verspätung, die Türen öffnen sich genau für 20 Sekunden ("dütt-dütt-dütt-dütt-dütt-dütt.. doors closing") und nirgendwo auf der Welt habe ich so einprägsame Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitten gehört, wie in der MRT.

Zur Hauptverkehrszeit, also am Nachmittag, kann es in der MRT ziemlich drängelig werden. Zwar weisen unzählige Schilder und Aufkleber die Fahrgäste daraufhin, Rücksicht zu nehmen, doch das wird manchmal geflissentlich in den Wind gejagt. So kann gerade das Aussteigen ein Akt werden, da die Einsteiger mit solcher Vehemenz in die Bahn drängen, daß man gegen den Strom schwimmt. Auf unserem Weg zum Jurong Bird Park war es geradezu beschaulich ruhig in der MRT. Da schmunzelt man schon mal über die oben erwähnten Hinweisschilder. Da heißt es nämlich: "Please give way to alighting passengers!" Das könnte man mit "Bitte lassen sie in Flammen aufgegangenen Passagieren den Vortritt" übersetzten. Doch der größte Brüller befindet sich immer noch in unseren Reisepässen und ist auf dem Neuseeland-Visum zu finden: "You must leave NZ before expiry of your permit or face removal". Genau genommen könnte das so übersetzt werden: "Sie müssen Neuseeland vor Ablauf des Visums verlassen - oder Gesichtsentfernung!". Hui!

Im Jurong Bird Park. Als erstes lenken wir unsere Schritte zur "Penguin Parade". Natürlich! Wir müssen unsere Pinguinabstinenz (fats zwei Wochen jetzt!) beenden. Es ist Vormittag und nicht viel los im Bird Park. Das heißt, wir haben die Penguin-Parade für uns alleine. Also treten wir ein, in die abgedunkelte und klimatisierte Pinguin Abteilung.


Ein komischer Kauz am Eingang zur "Penguin Parade", Jurong Bird Park

Wir treten in den großen Beobachtungsraum und blicken auf zwei Pappmaschee-Dioramen. Beide mit Tauchbecken, mit Plastikfelsen unter der Oberfläche. Die großen Glasfenster reichen weit unter die Wasseroberfläche, so daß man das Unterwassergeschehen verfolgen kann. Der linke Raum nimmt gut drei viertel des Pinguinhauses ein: Aus den Augenwinkeln nehme ich Humboldtpinguine wahr, die sich im Wasser tummeln, Königspinguine, die gelangweilt auf den Papp-Felsen hocken, eine Inka-Seeschwalbe kreist in an der Decke des großen Dioramas herum. Doch meine Aufmerksamkeit ist voll auf den rechten, kleineren Raum gerichtet. Da sind sie tatsächlich! Und was für ein Kontrast, da sitzen 4 Zwergpinguine zwischen ihren Nordhemisphären-Gegenstücken, den Alken: einige Trottellummen sitzen rechts auf einem Simms und dösen vor sich hin, eine Gryllteiste paddelt auf dem Wasser herum und wird von ihren Artgenossen beobachtet, ein Papageientaucher frißt aus einem Napf. Die 4 Eudyptulas sind zur Hälfte durch und zur anderen Hälfte mitten in der Mauser: zwei glänzen in neuem Gefieder, während die beiden anderen wie schmutzige Wollknäuel vor ihrer Höhle herumlungern.


Vier Zwergpinguine und eine Gryllteiste

Während der ganzen Zeit, die wir im Pinguinhaus sind, passiert nichts bei den Pinguinen: weder verdrücken sie sich in ihre Höhle noch bewegen sie sich in irgendeiner anderen Richtung. Ab und zu schlagen sie mit ihren Flügel und schütteln sich und dann ist wieder Inaktivität angesagt. Trotz all der Tragödien, die wir im Laufe unserer Feldarbeit erlebt haben, fühle ich Mitleid mit den Pinguinen hier. Wie öde muß doch das Leben sein, wenn man nicht mal eben für einen Tag auf See gehen kann. Statt dessen sitzt man den ganzen Tag vor der Höhle und wartet, daß um halb vier nachmittags der Tierwärter kommt und einem ein paar tote Heringe in den Hals stopft.

Nach einer Weile betrachten wir dann doch das Rege treiben einen Kühlraum weiter. Zumindest die Humboldt Pinguine regen sich treibend auf dem Wasser. Die Königspinguine stehen nur herum, kratzen sich am Hintern oder verscheuchen Humboldt Pinguine, die ihnen zu Nahe kommen. Stef und ich stehen davor und unsere Köpfe fliegen hin und her: rechter Raum, linker Raum, rechter Raum, linker Raum. Wir müssen immer wieder zu unseren bekannten Pinguinen herumlinsen, denn auf einmal fällt es uns auf, warum Eudyptula minor im Deutschen "Zwergpinguin" genannt wird: im Vergleich zu den Pinguinen in diesem Kühlraum, sind sie winzig klein. Besonders die Königspinguine flößen uns Ehrfurcht ein. Beide denken wir zurück, an die Querelen, die wir mit vereinzelten Pinguinen hatten, aus denen wir mit blutenden Gliedmaßen und blauen Flecken hervorgegangen waren. Wenn die Königspinguine nur halb so aggresiv sind, müßten sie in der Lage sein einen Forscher zu Hackfleich zu verarbeiten!


Etwas größer: Humboldt- und Königspinguine im nächsten Kühlraum

Irgendwann wird uns die Klimanlage doch zu kalt und wir machen uns auf, den Rest des Vogelparks zu erkunden. Die Digitalkamera war dabei:


Der Emu, der sich in meine Kameralinse zu spiegeln versucht

 


Und diesmal zwei komische Käuze irgenwo im Jurong Bird Park

 


Hyazintharas und ihre Sonnenblumenkerne

 


Die Soldatenaras, bei denen keiner weiß, weswegen sie so heißen

Entgegen Stef's Gejammer, schleige ich sie am Nachmittag in die "Jurong Bird Park All Star Show" im großen Amphitheater des Parks. Eine Art Zirkusshow wird hier täglich mit den Vögeln des Parks aufgeführt: Flamingos staksen umher, Papageien zählen auf chinesisch, eulen jagen Stoffmäuse und all das. Die Krönung ist natürlich die Papageien-Flugshow, bei denen die Flattermänner durch Ringe fliegen und Leuten Geldscheine aus der Hand mopsen. Stef und ich sitzen links außen und sind mehr oder weniger die einzigen auf dieser Seite des Amphitheaters. Stef quengelt die ganze Zeit, sie wolle gehen und habe "keinen Bock auf diese Touri-Aktion". Die Strafe folgt auf dem Fuße. Der Vogelfritze unten sucht nach Voluntären für das nächste Kunststück und starrt dabei unentwegt auf Stef. Sie stöhnt "Oh nein!" doch hat keine Wahl. Sie wird auf den unteren Bereich der Tribüne gelotst, bekommt einen Hulahoop-Reifen in die Hand gedrückt und wird zum Papageien-Dompteur. In einer "Aaaah!" und "Ooooh!" Aktion fliegen Aras durch Stefs Reifen und rufen begeisterten Applaus des Publikums hervor.


Vor Aufregung verwackelt - Stef als Papageien-Dompteur

Nach Stef's Auftritt beginnt es zu regnen. Stef ist erleichtert, als ich sage, daß wir gehen obwohl die Show nur wegen des Regen unterbrochen ist. Wir fahren zurück nach Chinatown.

Singapur - 4. Februar 2001.
Stef ist gestern abend abgeflogen. Ich werde heute mittag folgen. Es geht definitiv zurück nach Deutschland, wo viel Arbeit auf mich wartet. Ich muß eine Diplomarbeit schreiben und abgeben. Anschließend die Auswertung der TDR-Daten und dir Organisation meines nächsten Neuseeland-Trips Ende April. Ich kann kaum glauben, daß ich wieder nach Kiel gehe. Es scheint so lange her zu sein, daß ich mich dort von meinem Betreuer Boris Culik verabschiedet habe. Was ist in diesem letzten Jahr alles passiert. Ich sitze am Changi Airport mit dem Laptop an einer der kostenlosen Internetstationen und checke E-Mail. Da fällt mir die digitalkamera auf: hatte ich gestern bei einem Bummel durch Chinatown nicht noch fotogtrafiert? Tatsächlich:


Hindu-Ornamente in Chinatown


Das neue Chinatown - renoviert und blitzeblank

Mein Flug wird aufgerufen. Los geht's, auf die nächste Etappe im Verlaufe des Eudyptula-Projektes.


Teil 3 - Singapur